Was tun, wenn man das Konzept Live-Album so weitgehend ausgereizt hat wie Joe Bonamassa? Ganz einfach, man macht es so wie die Brüder im Geiste von GOV'T MULE und veröffentlicht Themen-Konzerte, vorzugsweise üppig ausgestattet so wie diese DVD-und Blu-ray-Nachlese eines Tributs an die Blues-Ikonen Muddy Waters und Howlin Wolf.
Das aufgezeichnete Konzert fand - nomen est omen - im Winter 2014 in den Colorado Red Rocks statt, und zwar im Rahmen eines Benefiz-Events für Joes Stiftung Keeping the Blues Alive, die dabei im Übrigen satte 40.000 US-Dollar sammelte und den Barden vor selten riesiger Kulisse auftreten ließ. Superlative also? Aber hallo.
"Muddy Wolf At Red Rocks" wurde einmal mehr von Produzent Kevin Shirley betreut und ist wie ein klassischer Konzertfilm mit cineastischem Intro aufgezogen. Bonamassa wird nebst eingespielter Band von Bläsern begleitet, die das rootsige Material der Originale für manche vielleicht auf fragwürdige Weise aufhübschen, aber die Umsetzung nimmt dem Ausgangsstoff nichts von seiner Würde und ist handwerklich - das versteht sich von selbst - über jegliche Zweifel erhaben.
Allein die Kulisse, vor der das Ensemble auftritt, ist atemberaubend, und die Performance - geschickt unterteilt in je einen Set zur Huldigung der Altehrwürdigen und eigentliches Bonamassa-Material - besticht durch ihre Dynamik, wobei man durchaus erwähnen darf, dass der Blues in seiner reinsten Form zwar absolut legitim ist, sich aber eben auch weiterentwickelt hat … zu spitzen Pfeilen wie "Love Ain’t A Love Song" oder "Hey Baby" aus dem Köcher des Blues-Amor schlechthin.
Nicht unerheblich, um diese Veröffentlichung endgültig zu legitimieren, sind die feisten, informativen Bonus-Features im Anhang, die noch einen abendfüllenden Film ausmachen. Tolle Sache also definitiv.
FAZIT: Blues-Puristen mögen sich am aufgebauschten Charakter dieser "weißen" Veranstaltung reiben, die fast etwas von einem Cocktail-Empfang des Establishments hat (ein Blick ins Publikum relativiert die Einschätzung), doch "Muddy Wolf At Red Rocks" war wohl ein notwendiges Stück Selbstverwirklichung für Bonamassa, hehre Beweggründe hin oder her. Waters und Wolf gehören schließlich auch ohne dieses Fanal an ihr Schaffen zum Inventar des Blues, selbst über seinen Kosmos hinaus in der weiteren Popkultur, aber wie dem auch sei: Operation gelungen, Platz für mehr Eigenes, denn das kann Onkel Joe ja verflixt gut, wie er mit seinem jüngsten Studioalbum bewies.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.04.2015
Michael Rhodes
Joe Bonamassa
Kirk Fletcher, Joe Bonamassa
Reese Wynans
Anton Fig
Lee Thornburg (Trompete), Ron Dziubla (Saxofon), Nick Lane (Posaune), Mike Henderson (Mundharmonika)
Mascot / Provogue
131:01 + 71:06
20.03.2015