„Das 7. KARFAGEN-Album ist eine Reise zu den Mythen und Legenden und der Suche nach dem Funken Wahrheit darin, der sich in allem und überall versteckt haben kann. Es basiert auf dem epischen Titel ‚Seven Gates‘, der im Frühling 2015 entstand. Überhaupt ist es das erste Mal, dass das komplette Material für eins meiner Alben innerhalb von vier bis fünf Monaten hintereinander weg geschrieben wurde. Ich habe mein Bestes getan, um diesem Album einen dynamischen Klang zu verleihen und die Musik atmen zu lassen. Und es ist auch ein Rückblick auf den 70er-Jahre-Prog, den ich heutzutage so sehr liebe.“
Diese Zeilen von ANTONY KALUGIN, dem Kopf der ukrainischen Band KARFAGEN, findet man auf den letzten Seiten des im typischen 70er-Jahre-Style gestalteten Booklets, das von vorne bis hinten Erinnerungen an ROGER DEAN weckt, aber von Igor Sokolskiy (Den Namen sollte man sich unbedingt merken!) gestaltet wurde. Aber diese Zeilen sagen auch viel darüber aus, was einem auf dem so schlicht mit „7“ betitelten Album erwartet.
KARFAGEN bewegen sich auf „7“ in der progressiven Vergangenheit, in welcher solche Größen wie GENESIS, PINK FLOYD und YES eine überwältigende Rolle spielten. Genau da dockt sich das ukrainische Musik-Raumschiff an, wobei es sehr genau aufpasst, nicht etwa auf der Klone-Milchstraße daherzukommen, sondern absolute Eigenständigkeit zu wahren, dafür aber die Atmosphäre der unüberhörbaren Musik-Vorbilder zu verbreiten. Auch brechen auf „7“ nicht irgendwelche metallischen Donnerwetter oder wummernden Experimente aus, sondern es überwiegt getragener Keyboard-Wohlklang, zwischen Bombast und Filigranem, so als würden PINK FLOYD ihr „Comfortably Numb“ zu einem gigantischen Longtrack ausarbeiten. Aber auch Flöten und Vogelgezwitscher oder Grillen-Zirpen, Klangcollagen und himmlisch schwelgende E-Gitarren, zarte Psychedelic oder Oboen und Akkordeon tauchen immer mal wieder auf, um der Musik vielfältige, beeindruckend abwechslungsreiche Klangfarben zu verleihen. Moderner, symphonischer Artrock auf der Höhe der Zeit, die er erst dadurch erreicht, weil er sich auf die siebziger Jahre Hoch-Zeit progressiver Rock-Musik besinnt - so klingen KARFAGEN.
Manchmal glaubt man, Antony Kalugin muss die SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR mögen, denn all die Parallelen zwischen seinem symphonischen, 28 Minuten langen Eröffnungstitel sowie dem Text und der deutschen Prog-Band, die momentan mit ihrem aktuellen Album für einiges Aufsehen sorgt, sind schon verblüffend: „Seven options, seven doors / The luck is your mind ... / The right direction, right threshold / You have to find / So ardently, definitely!“ Genau bei dieser Problematik setzte auch „The?Book“ der Seven Steps an. Nur dass bei KARFAGEN die Suche nach Gott eine hoffnungsvolle Erfüllung widerfährt, während sich in „The?Book“ der Protagonist selbst findet. Nach 16 Minuten erreicht durch seine verspielten Flöteneinlagen und harfenähnliche Klänge „Seven Gates“ dann seinen Höhepunkt bist der Gesang einsetzt und besagte Geschichte vertont, um dann mit spritzigen Keyboard-Solos noch etwas an Fahrt aufzunehmen, allerdings ohne je aus der Spur auszubrechen bis die Trommel einen schmissigen Marsch-Rhythmus vorgibt. Es passiert so einiges auf „7“. Man muss sich nur die Zeit nehmen, um all diese kleinen Musik-Details zu entdecken, egal ob das dann Spieluhren und Glockenspiele oder gezupfte akustische Gitarren sind, denen plötzlich riesige Kirchenorgeln das Fürchten lehren.
Dem zentralen episch-symphonischen Stück schließen sich dann noch drei kürzere, sich zwischen 6 und 10 Minuten bewegende Songs an, die eine ganz ähnliche Orientierung haben, auch wenn darin deutlich mehr gesungen wird, was natürlich bei den angenehmen Stimmen von Kalugin und OLHA PROKHOROV, die verdammt sexy im Inneren des Booklets posiert, kein Problem ist. Und in „Hopeless Dreamer“ darf sogar ein bisschen mehr gerockt werden und die Gitarren-Soli sind Mr. GILMOUR-like, auch wenn der heutzutage doch lieber Musik für die Insel und seine Polly macht. Hier ist der Floyd-Bezug jedenfalls unüberhörbar.
Ein wenig seltsam erscheint allerdings der Bonus-Track, der eine auf 15 Minuten editierte Version des das Album eröffnenden Longtracks ist. Ob das Sinn macht, nur um die Gesamtlaufzeit der CD auf über eine Stunde zu strecken, bleibt mal dahingestellt. Außerdem kommen in dieser Art des zurechtgeschnittenen, noch mehr geglätteten Songs sogar einige Erinnerungen an ROGER WATERS‘ „Radio Chaos“ und DAVID GILMOURs „On An Island“ auf.
FAZIT: Auch auf „7“ bleibt sich die ukrainische Band KARFAGEN unter Federführung von Antony Kalugin treu, selbst wenn sie eine deutlichere Rückbesinnung auf die 70er Prog-Jahre erkennen lassen. Ganz ähnlich gelang dies bereits CAMEL und bekanntlich soll es sogar in der Ukraine einige verdammt progressive Kamele geben. Dem guten Antony sei dank!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.11.2015
Oleg Prokhorov
Antony Kalugin, Olha Rostovska
Max Velychko
Antony Kalugin
Kostya Shepelenko, Ivan Rubanckyuk, Antony Kalugin
Sergii Kovalov (Bayan, Akkordeon), Helen Bour (Oboe), Lesya Kofanova (Flöte), Will Mackie (Erzähler)
Caerllysi Music / Just For Kicks
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09.10.2015