Wenn ein Arzt die Diagnose „Glasknochen“ erstellt, dann ändert sich mit einem Schlag das Leben für denjenigen, der diese Entwicklungsstörung des Knochens, welche ihn schon bei leichten Belastungen brechen lässt, ertragen muss. Plötzlich ist alles in einem zerbrechlich, was zuvor so fest und beinahe unantastbar erschien.
Wenn wir aber das Album „Glass Bones“ des österreichischen Trios LAUSCH, auf dem ein weißes, bereits „angebrochenes“ Porzellan-Herz zu sehen ist, in unseren CD-Player, oder noch besser das transparente Vinyl auf unseren Plattenteller, legen, dann werden wir ein musikalisches Erlebnis, das zu keiner Zeit zum „Beinbruch“ wird, genießen dürfen, bei dem harte, starke Indie- und Post-Rock-Momente auf zerbrechlich wirkende, ruhige Alternative-Passagen und emotionale Texte voll Tiefe, aber auch Verletzlichkeit, treffen. „Glass Bones“ - einen passenderen Namen für dieses teilweise über Crowdfunding finanzierte Album kann es gar nicht geben: „All we have is blood and / Glass and bones and yet we / Bend ourselves to fit a / World of triviality.“
Die seit 2007 aktive Band beschreibt ihre musikalische Absicht in eigenen Worten damit, „sphärische Klänge, harte Gitarren und gehaltvolle Texte“ miteinander zu verbinden. Das gelingt ihr auf „Glass Bones“ überzeugend, wobei sogar die „harten“ Gitarren oftmals ihre Klangfarben verändern und durchaus sogar Erinnerungen an LED ZEPPELIN genauso wie an funkige Bands wie die TEMPTATIONS aufkommen, aber auch die eine oder andere post-punkige Frickelei ihren Spielraum erhält.
Hören wir also Gitarre, Bass und Schlagzeug, dann finden wir uns wirklich im Post-Rock wieder, aber da gibt es ja noch den Gesang des „Bandnamen-Verleihers“ ALEXANDER LAUSCH, dessen klangvolle Stimme den Texten die richtige Atmosphäre verleiht und so immer wieder an anspruchsvolle Indie- und Alternative-Türen klopft, egal ob er nun bei „Salvador‘s Pain“ DALI einfließen oder bei „A Game Of Fools“ den FISCHER Z-Narren das Feld überlässt. Lauschs variable Stimme jedenfalls meistert mühelos jeden lauten wie leisen Ton.
Bei „Here I Stand“, dem ruhigsten und mit knapp 6 Minuten zugleich längsten Titel des Albums, kommt zusätzlich noch ein Piano ins LAUSCHige Spiel und bereichert den Song ungemein. Manchmal würde man sich noch ein paar weitere Tasten-Momente wünschen, denn was GEORG GABLER als Gast-Pianist auch auf „Salvador‘s Pain“ und dem Titeltrack „Glass Bones“ abliefert, überzeugt auf ganzer Linie.
Weniger überzeugend ist dagegen der Sound auf „Glass Bones“. Er klingt recht rotzig und urwüchsig. Manchmal sogar etwas zu rotzig, besonders wenn zum LAUSCH auch ein Rausch dazukommt, der besonders in den letzten Phasen des Albums die Musik ein wenig schwammig erscheinen lässt. Sollte das Absicht sein, um Textliches stärker zu betonen, dann ist die musikalische Umsetzung jedenfalls nicht wirklich gelungen, besonders weil die Kompositionen echte Tiefe besitzen. So könnte sogar „Twenty Seconds“ locker auch auf einem Album von FISCHER Z untergebracht und darauf garantiert ein echter „Burner“ werden.
FAZIT: In Österreich, und nicht nur dort, ist das große LAUSCHen angesagt, bei dem einerseits sehr geradlinigen, aber auch angenehm komplexen Rock-Album „Glass Bones“, das wie ein Trip durch die unterschiedlichsten von Gitarren dominierten Sparten saust und dabei nie vergisst, wie wichtig auch prickelnde Melodien, gute Texte und beeindruckender Gesang sind, selbst wenn es dabei manchmal den Sound aus den Augen verliert.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.10.2015
Arnold Zanon
Alexander Lausch, Matthias Ledwinka, Arnold Zanon
Alexander Lausch
Matthias Ledwinka
Georg Gabler (Grand Piano & Mni-Moog), David Furrer (Gitarre & Backing Vocals), Ines Dallaji (Backing Vocals)
Panta R&E / NoisOlution
42:26
09.10.2015