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Les Tambours Du Bronx: Cor-Ros

Stil: Trommelgewitter auf Ölfässern und schlagfertige Filmmusik für Finstermänner

Cover: Les Tambours Du Bronx: Cor-Ros

Ein bedrohliches Unwetter zieht am sich immer mehr verfinsternden Himmel auf ... und dann kracht es aus allen Kanälen bis sich das Wechselspiel der Naturgewalten mit voller Brachialgewalt ausgetobt hat. Kann solches Naturschauspiel, wie wir es heutzutage immer öfter in der Sicherheit unserer wohlig-warmen Stube bei einem Blick aus dem Fenster oder für die ganz Mutigen durch die leicht geöffnete Eingangstür beobachten können, auch in unserer Stube losdonnern, wenn wir beispielsweise die richtige CD zur Untermalung solchen Naturspektakels auflegen?
Und wie es kann!
Wir brauchen uns nur die erste CD namens „[Cor“ von LES TAMBOURS DU BRONX zu schnappen und in unseren CD-Player zu schieben, damit die Franzosen gezielt über unsere Boxen ihr Trommelfeuer auf uns eröffnen können.

Die sechzehn „Trommler aus der Bronx“, die sich bereits 1987 in Nevers gründeten, wurden dadurch bekannt, dass sie mit Axt-Stielen auf jeder Menge Ölfässern herumtrommelten, was später eine wahre Putz-Kolonnen-Musik auslöste, bei der jeder Trottel auf irgendwelchem Reinigungsgerät seine rhythmischen Begabungen zur Schau trug. Weniger putzen, mehr trommeln, war die Devise. Aber was soll‘s - Handys benutzt man ja heutzutage auch nur noch ganz selten zum Telefonieren.

Ab 1990 jedenfalls reisten die trommelnden Bronxianer durch die ganze Welt und hatten längst ihren Musik-Stil zu einem eigenen Genre erhoben, das verdammt gut auch bei denen ankam, die das lästige Putzen zwar ihrer Haus- oder Putzfrau, das eindrucksvolle Trommeln aber LES TAMBOUTS DU BRONX überließen. Dabei hatten die Franzosen entdeckt, dass die Stahl-Fässer, in die man normalerweise 225 Liter Öl füllte, einen herrlichen Klang verbreiteten und sogar noch richtig peppig aussahen, wenn man sie bunt anmalte. So also wurde eine unglaublich erfolgreiche Idee in der Musikgeschichte geboren, die jeder anfangs wohl für Schrott gehalten hätte, weil die Instrumente im Grunde Schrott waren. Zusätzlich installierten die einfallsreichen Musiker noch Stahlrohre, die an Ständern hingen, welche, elektronisch verstärkt, für den modernen Electronic-Klang sorgten. Nur was schreibe ich hier lange, am besten sollte man sich <a href="http://www.dailymotion.com/video/xl349n_les-tambours-du-bronx-delirium_music" rel="nofollow">mit einem Blick auf dieses Video</a> seinen ersten eigenen Eindruck von LES TAMBOURS DU BRONX bilden.

Dem Motiv des Covers folgend, beginnt die erste CD mit Krähen-Gekreische, welches melodramatisch mit klassischen Streicherklängen und sakralen Chören untermalt wird, sowie natürlich den Fasstrommeln, die sich anfangs noch sehr zurückhaltend präsentieren. Sofort kommt einem dabei ein Film in den Sinn, der an Tragik kaum zu überbieten war, da sein Hauptdarsteller während der Dreharbeiten tödlich verunglückte: THE CROW. „[Cor“ jedenfalls eignet sich ideal als Filmmusik zu diesem bedrückenden Fantasy-Horror-Streifen. Und zwar von der ersten bis zur letzten Minute. Viel Electronics, viel Samples, viel Akustik und das ewige Trommeln, welches sich unglaublich abwechslungsreich präsentiert. Hier gibt nicht mehr der Industrial den Ton an, sondern finstere Post-Rock-Sequenzen, die sich zu einem Ölfass schlagenden Inferno entwickeln, welches bei „Human Smile“ unter Mitwirkung von JAZ COLEMAN sogar zu einem echten Techno-Song wird.

„Orient“ wartet dann tatsächlich mit orientalischen Klängen auf und es verblüfft wirklich, wie abwechslungsreich dieses trommelnde Musikgeschehen seien kann, das nicht jedes Mal, wie auf den meisten LES TAMBOUR DU BRONX-Alben zuvor, in ein „industrielles Inferno“ aus Axtstiel und Ölfass ausartet, wie es dann größtenteils auf der „Ros]“-CD genossen werden kann.

Die zweite CD „Ros]“ enthält eine Zusammenstellung ausschließlich akustischer, ohne jegliche elektronische Spielereien oder Samples versehene, Aufnahmen, auf denen also nur getrommelt und ganz selten gesungen wird. Die chronologisch angeordnete Zusammenstellung erstreckt sich über die Jahre 1990 bis 2014. Urwüchsige Musik - das wäre wohl der passende Begriff für dieses ebenfalls gute, aber doch deutlich erkennbare „Gegenstück“ von „[Cor“, welches einem die Entwicklung dieser trommelnden Bronxianer erst richtig vor Ohren führt.

FAZIT: Einige hauen gerne auf die Pauke und es kommt nur Scheiße dabei raus, andere aber hauen auf Ölfässer und es kommt richtig spannende „Industrial“-Musik dabei raus. Der kleine Unterschied, der so unendlich groß ist und einen französischen Namen trägt: LES TAMBOURS DU BRONX. Und das alles gilt natürlich nur für Hartgesottene, die locker bereit sind, ihre Trommelfelle über 90 Minuten lang mit hämmernden Ölfass-Rhythmen „verprügeln“ zu lassen.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.09.2015

Tracklist

  1. CD 1 - [COR:
  2. Corvus Christi
  3. Dies Irae
  4. Aside
  5. Human Smile (feat. Jaz Coleman)
  6. Orient
  7. Eureka
  8. Go Fast
  9. Crazy Noises
  10. Halloween
  11. Erotica
  12. Arolium
  13. Lost
  14. Nacao
  15. Clockwork
  16. Schizomania
  17. Kaiowas (feat. A. Kisser)
  18. War3.0
  19. CD 2 - ROS]:
  20. Arbeit (1990)
  21. Le Rap (1990)
  22. Tchi Tchi (1993)
  23. Cadence 22 (1993)
  24. Sangria Si! (1999)
  25. La Caravane (1999)
  26. Until The End Of ... (2001)
  27. Happy Hour (2001)
  28. Sameth (2014)
  29. Sur Le Fil (2014)
  30. Groovy Time (2014)
  31. Organic (2014)
  32. Acouphene (2014)
  33. Crazy Noises AC (2014)

Besetzung

  • Gesang

    Cécé, Dédé, Nono, Sid, Thierry und Romy

  • Keys

    Yann Lavocat

  • Sonstiges

    An den Fässern: Cécé, Dédé, Nono, Nini, Kiki, Romy, Sid, Dom, Chris, Luc, Jean-Marc, Thierry, Julien, Kooskoos, Johnny und Poz

Sonstiges

  • Label

    At Home / Alive

  • Spieldauer

    98:05

  • Erscheinungsdatum

    25.09.2015

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