Alles, was so aus dem Umfeld eines Musikers kommt, den man seit seinem letzten Solo-Album ohne Umschweife als den würdigen Nachfolger von MIKE OLDFIELD bezeichnen kann, wartet mit der einen (angenehmen) oder anderen (unangenehmen) Überraschung auf. Dafür ist er bekannt. Doch immer, wenn er manchmal seine zu schmalzige KOMPENDIUM-Ader für sich entdeckt, dann hält sich die progressive Verzückung jedenfalls in Grenzen. Wendet er sich aber seiner Stamm-Band zu, dann bleibt einem größtenteils jede Form von Peinlichkeiten erspart. Obwohl man das nie wirklich wissen kann und durchaus auch in Frage stellt, wenn plötzlich von dieser Band bereits das zweite „Single“-Album erscheint!
Genug der Rätselei!
Konkret erwartet uns seit dem 7. August dieses Jahres ein neues Single-Doppelalbum von ... (Na, wer hat‘s schon erraten?)
Bereits vor acht Jahren verblüffte die neoprogressive britische Band um ROB REED mit dem so farbenfrohen Namen MAGENTA mit einem „Singles“-Album. Sicher eine immer wieder nicht unbedingt beliebte Überraschung bei Freunden progressiver Rockmusik, denen Radio- und Hit-Musik oftmals schon wegen der Formatlänge der Single-Hits ein einziger Graus sind.
Prog(ressive Rockmusik)!!!
Das sind in erster Linie Longtracks voller Frickeleien und abgefahrenen Ideen, aber nicht unbedingt Hookline-Melodien! Und dann kommen frech und unverfroren MAGENTA daher und stellen des Proggies Welt einfach mal mit so einem Single-Album auf den Kopf, bei dem der längste Single-Titel tatsächlich ein 13minutiger Longtrack war.
Ja, manchmal sind Alben-Namen nur Schall und Rauch!
Gleiches gilt nun auch für das aktuelle Single-Doppel-Album von MAGENTA, selbst wenn der längste Single-“Hit“ diesbezüglich nur auf 10 Minuten kommt und auch noch die Cover-Version des einzigen wirklichen Radio-Hits von EMERSON LAKE & PALMER ist.
Während bei dem bereits 2007 erschienenen „The Singles“-Album auf ein sehr ähnliches Cover samt bergiger Winter-Landschaft mit ein paar Wölkchen am Tages-Himmel zurückgegriffen wurde, erwartet uns in dieser „Complete“-Version das Nacht-Cover dazu. Nur wirklich finsterer als die erste Single-Sammlung klingt auch dieses Album nicht, obwohl deutlich die orchestralen Momente überwiegen und der Classical-Mix von „RAW“ gar etwas von der Carmina Burana in sich trägt.
Was wir allerdings mit der Bemerkung „Complete“ anstellen sollen, bleibt völlig unklar, denn von dem 2007er Single-Album fehlen so einige Songs, wobei sich am schmerzhaftesten die 13minutige „Full Version“ von „Pride“ bemerkbar macht, während es vom knapp 10minutigen „Sloth (Orchestral Mix)“ nun den über 10 Minuten langen „String Mix“ zu bewundern gibt, wobei es sicher niemanden verblüfft, dass diesbezüglich ausgiebige Streicher-Passagen den Song grundieren und fast klassisch erscheinen lassen.
Überhaupt ist das Besondere an dieser Single-Zusammenstellung einer britischen Neo-Prog-Band, die, im Gegensatz zu ELP, nie wirklich einen echten Single-Hit in den Charts platzieren konnte, dass diese Doppel-CD jede Menge brandneuer Remixe alter Songs sowie alternative Versionen und erweiterte Ausgaben altbekannter Titel enthält. Also nicht wirkliche Singles, sondern moderne „Raritäten“, die sicher auf keinem bisherigen MAGENTA-Album bisher in dieser Form aufgetaucht sind bzw. weiterem Album auftauchen werden. Selbst die völlig neuen Cover-Versionen von YES‘ „Wonderous Stories“ - als schlappe Nomal-Version auf CD 1 und tollen „Acoustic Mix“ auf CD 2 - und ELP‘s „Lucky Man“ - wieder als die dem Original sehr nahe, allerdings mit vielen Glockenspiel & „Oldfield“-Gitarre versehene Version auf CD 1 und ein großartiger, fast 10minutiger „Extended Mix“ auf CD 2 - werden viele Freunde finden, so viel ist jedenfalls sicher. Aber noch viel schöner ist, dass ROB REED bei dieser „kompletten“ Zusammenstellung immer wieder seine MIKE OLDFIELD-Gitarre herausholt und uns ähnliche Glücksgefühle vermittelt wie bei <a href=" http://musikreviews.de/reviews/2014/Robert-Reed/Sanctuary/ " rel="nofollow">seiner überragenden „Coverversion“ von „Tubular Bells“ namens „Sanctuary“</a>.
Aber natürlich geht es auf „The Singles - Complete“ nicht um ROB(ERT) REEDs Solo-Affinität für MIKE OLDFIELD, auch wenn sie des Öfteren angenehm durchklingt, sondern seine deutlich stärker an YES und GENESIS orientierte Band MAGENTA, die mit der begnadeten Sängerin CHRISTINA BOOTH auch noch eine Vokalakrobatin in ihren Reihen hat, die zurecht immer wieder gern mit ANNIE HASLAM von RENAISSANCE verglichen wird. Jedenfalls ist der gesungene Anteil auf dem Single-Album außergewöhnlich hoch und übersteigt durchschnittlich bei Weitem die Gesangsanteile in den „normalen“ Studio-Alben der Briten, auch wenn mit „Opus 3“ ein ausgezeichnetes, fettes, viel zu kurzes Orgel-Instrumental mit eindeutigem RICK WAKEMAN-Flair das Doppelalbum abschließt. Etwas mehr von solchen Instrumental-Ausflügen hätte „The Singles - Complete“ noch besser zum musikalischen Gesicht gestanden. Dafür aber werden die Freunde akustischer Musik immer wieder in Begeisterungsstürme ausbrechen, da MAGENTA, infolge der Vielfalt von insgesamt 24 Titeln, eine geschickte Kombination aus Bombastischem und Akustischem gelingt.
Logisches FAZIT also: So oder so werden Freunde von MAGENTA - und besonders der Sängerin - wieder viel Freude an dieser Zusammenstellung haben, die im Grunde keine Zusammenstellung, sondern eine Aufarbeitung älterer Songs und einiger Coverversionen ist!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.08.2015
Rob Reed
Christina Booth
Rob Reed
Rob Reed
Chris Fry
Tigermoth Productions / Just For Kicks
125:57
07.08.2015