Es gibt Alben, bei denen man bereits nach wenigen Minuten ein Fazit ziehen könnte. Es gibt Rezensionen, die sich quasi von selbst schreiben. Aber dann gibt es auch Bands wie das neunköpfige Kollektiv MALADIE, die dem geneigten Hörer ebenso wie dem Rezensenten einiges abverlangen.
Drei Gitarren, drei Sänger sowie diverse Streich-, Blas- und Tasteninstrumente - bereits die formale Auflistung der zum Einsatz kommenden Instrumentierung lässt erahnen, dass sich das über 70 Minuten Spielzeit erstreckende Zweitwerk der Ludwigshafener "...still..." nicht mal eben nebenbei konsumieren und schon gar nicht bewerten lässt. Darum liegen zwischen diesen Zeilen und der Veröffentlichung des Albums schon einige Wochen und noch mehr Rotationen des bis zum Anschlag gefüllten Silberlings.
Das mediale Stimmungsbild scheint indes eindeutig: "Meisterwerk", "monumental" und "ergreifend emotional" sind nur einige Beispiele der schier grenzenlosen Huldigung. Höchstnoten en masse sind die unweigerliche Konsequenz. Und tatsächlich startet "...still..." fulminant. Neben Einflüssen aus Melodic, Death, Progressive und diversen anderen Metal Subgenres ist die vorherrschende aller Ingredienzien allerdings klar rasanter Black Metal inklusive gutturalen wie kehligen Kreischorgien und natürlich wahnwitzigen Blast-Passagen. Die stets opulente Inszenierung führt jedoch spätestens inmitten des an dritter Stelle platzierten 18-Minuten-Kolosses "Inexistentia" zu ersten Ermüdungs- und Sättigungserscheinungen.
Doch bereits der Opener, der neben "Discrepantia" das Highlight der Platte darstellt, deutet an, woran MALADIE auch in der restlichen Stunde ein ums andere Mal scheitern sollen. Gleich neun durchweg fähige Musiker zur Verfügung zu haben eröffnet zweifelsohne reichlich Möglichkeiten, verleitet jedoch ebenso hörbar zu überladenen und inhomogenen Songkonstrukten, die vermutlich eher dem Reißbrett denn einem Proberaum entspringen. Zu keinem Zeitpunkt stellt sich auch nur annähernd so etwas wie ein Bandgefühl ein. Insbesondere die teils deplatzierten und mitunter grenzwertig eiernden Gesangseinlagen sind nicht selten der berüchtigte Tropfen, der das bereits instrumental zum Bersten gefüllte Fass zum Überlaufen bringt. Über Sinn und Unsinn der mehrsprachigen Vocals kann man indes ebenso geteilter Meinung sein wie über die dargebotenen lyrischen Ergüsse. "Imminent obgleich dieser meiner Katatonie bin ich gespornt." ("Demutatio") "Inmitten der Kollision dieser Divergenz / Eingekeilt im Schraubstock dieser Irregularität" ("Discrepantia") Für die einen künstlerisch wertvoll, für die anderen Bullshit-Bingo mit Black-Metal-Diplom, in jedem Fall reichlich prätentiös wenn obendrein in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Latein dargeboten.
Positiv hervorzuheben sind mit "Agnitio" und "Abdico" zwei der drei instrumentalen Intermezzi, die durch ihre Kürze und Prägnanz eine willkommene Verschnaufpause und einen angenehmen Kontrast zu den überlangen regulären Songs darstellen. Das ausgeklammerte "Circuitus" überschreitet hingegen mit zu viel Pathos die Grenze zum Kitsch.
FAZIT: Viel Kritik und dennoch eine zweistellige Punktzahl - das ist der Versuch, dem ambivalenten Gesamteindruck eines Werkes mit objektiv erkennbarer Klasse aber ebenso vorhandenen Schwächen Rechnung zu tragen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.04.2015
Moritz Grenzmann
Bernd Wener, Alexander Wenz, Déhà
Björn Köppler, Mark Walther, Kevin Olasz
Tobias Blach
Hauke Peters (Saxophon)
Apostasy Records
72:32
06.03.2015