Als Gitarrist einer relativ populären Progrock-Band ein Solo-Album zu veröffentlichen, mag nichts Besonderes sein, wenn man Steve Hackett heißt. Doch für Niall Mathewson, seines Zeichens Saitenzupfer bei PALLAS, bedeutet „Eclectic Electric Vol. I“ nach vielen Jahren im Bandgefüge sein solistisches Debüt.
Im Gegensatz zu Hackett ist er allerdings noch ein festes Bestandteil seiner Kombo. Selbst wenn man weit zurückblickt: Mit „Voyage Oft he Acolyte“ begann Steve Hacketts langsamer Abflug von GENESIS. Doch es gibt Gemeinsamkeiten: Genau wie sein bekannterer Kollege mischt Mathewson diverse Stilrichtungen und Genres, ohne sich allzu weit von seiner Stammband wegzubewegen. Wie bei Hackett findet sich Großartiges neben Mediokrem und Gruseligem (in kleinen Dosen). Zudem teilt Niall Mathewson die eigentümliche Zuneigung zu krachigem, aber eingängigem AOR.
Wovon es gleich zum Einstieg eine gehörige Portion gibt. Der „Creep“ schleicht nicht, sondern poltert direktemang metallisch los. Wobei sofort der etwas aseptische Klang und das dazu (un)passende Schlagzeug auffallen. Für sämtliche Instrumente zeichnet Mathewson allein verantwortlich. So auch für die (Dosen)-Trommel. Hier hätte ein ergänzender Rhythmiker und beim Klang ein wenig organischer Feinschliff gutgetan. „Creep“ ist, bis auf den hingeschmetterten Refrain, insgesamt nicht so dolle, ein durchschnittlicher Rocker halt. Bei dem allerdings gefällt, dass Niall Mathewson ein ordentlicher Sänger ist (wesentlich angenehmer als Kollege Hackett). Trotzdem hat er sich den Job am Mikrofon mit vier weiteren Mitstreitern geteilt. Davon einer weniger und ein anständiger Drummer an Bord wäre sinniger gewesen.
Obwohl der Gesang überzeugt, liegen die Stärken des Albums in den Instrumentalparts. Ausnahme ist die kleine James-Bond-goes-Musical-Bewerbung „In This Broken World“, das ein feines, vollmundiges, überkandideltes Schmankerl ist. Hätte man doch PALLAS und Niall Mathewson das „Spectre“-Thema anvertraut statt der unerträglichen Heulsuse Sam Smith.
Die Instrumentals sind solche der atmosphärischen Art, Soundtracks ähnlich. Der Gitarrist flirtet gekonnt mit Mike Oldfield („The Last Horizon“) und David Gilmour („Undiscovered Land“), spielt mit Folk, ein bisschen Pop, dem bereits erwähnten James Bond-Flair sowie Hokus-Pokus-Fantasy. Natürlich kommen auch progressive Elemente nicht zu kurz, wobei diese nicht ausufern sondern wie von PALLAS gewohnt angenehm straight und songorientiert bleiben.
FAZIT: „Eclectic Electric Vol. I“ ist ein – wen wundert’s - eklektisches, elektrisches (etwas zu viele Klänge kommen aus der Steckdose) Album, abwechslungsreich und hochunterhaltsam, aber nicht durchweg gelungen. Wenn Niall Mathewson instrumental in großen Gefühlen badet und seidiges Dahingleiten ausübt, seiner Zuneigung zum Kino und 007 Ausdruck verleiht, ist das Werk überzeugend, ebenso als kleines PALLAS-Geschwisterchen. Bei inhaltlicher Wärme bleibt etliches klanglich recht kalt und ein paar kitschige Refrains und durchwachsene Mainstream-Rocker ohne größere Meriten haben sich ebenfalls eingeschlichen. Trotzdem ist „Eclelctic Electric Vol. I“ alles andere als langweilig. “Vol. II” darf man durchaus gespannt erwarten.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.11.2015
Niall Mathewson
Niall Mathewson, Robert Bruce, Gerry Jablonski, Melissa Allan, Robert Meulman
Niall Mathewson
Niall Mathewson
Niall Mathewson
Niall Mathewson
Eigenpressung/Just For Kicks Music
60:01
30.10.2015