Auf ihrem dritten Album präsentieren sich PARTIKEL als Septett. Das ursprüngliche Trio (Bass, Drums, Saxophon) wurde um ein Streichquartett erweitert, was dem akustischen Kammerjazz der Londoner mehr Volumen und neue Dimensionen verleiht. Laut Duncan Eagles bestanden die Aufnahmen nicht wie bislang aus einer Vielzahl von Proben und enormem Feinschliff am Ende der Einspielung, sondern Vieles wurde Live entwickelt, und mit der Lust am Improvisieren umgesetzt. Dass sich die vier Streicher bruchlos ins bestehende Gefüge eingliedern, spricht für formidables Können und Einfühlungsvermögen.
Gleich das eröffnende, dreiteilige „Clash Of The Clans“ gibt die Marschroute vor. Explodierend, zärtlich, von ruppigem Jazz-Rock beeinflusst wie von moderner Klassik und Weltmusik, fußend aber auf Bebop („Bartering With Bob (For Bob Barter)“!) und seiner coolen Wiedergeburt. Der eruptive Start erinnert an wahre Progressive-Rocker wie VAN DER GRAAF GENERATOR zu ihrer „Pleasure Dome/Quiet Zone“-Zeit mit Violinist Graham Smith, aber auch – wie Kollegen bereits anmerkten – an SOFT MACHINE oder kammerorchestrale ZAPPA-Manifestationen.
Umgehend wird aber mit Stilen, Tempi und Besetzung variiert. Das können PARTIKEL ausgezeichnet, so findet sich ein dynamisches Saxophon zu Pizzicato-Streichern, es geht ins Avantgarde-Kaffeehaus mit Solo-Violine und im letzten Drittel wird es besinnlich, nachdem Max Luthert ohne Begleitung zuvor die Bass-Saiten innig schwingen ließ. Damit sind erst vielversprechende zwölf Minuten des einstündigen Albums abgedeckt.
Die Verheißung wird eingehalten, von einem an Höhepunkten reichen Werk, das trotz seiner vielen Zutaten nie planlos oder konfus wirkt. Eric Ford trommelt filigran und mit Nachdruck, Bassist Luthert sorgt für ein elastisches Fundament, auf dem Duncan Eagles‘ Saxophon diverse Spektren des Jazz ausloten kann. Von fast freien Momenten bis zum klassischen „Body And Soul“-Cover wird ein großes Feld abgedeckt, dessen Grenzbefestigungen zu anderen Genres durchlässig sind.
Das Streichquartett sorgt für Farbtupfer, Ergänzungen und eigene Prägungen. Ebenfalls weitläufig, denn sowohl Klassik, Weltmusik wie rockmusikalische Extravaganz halten Einzug. Der Gesamtsound bleibt dabei stimmig, höchst atmosphärisch und reich an Überraschungen. Wobei instrumentale Part obendrein oft durch ein wesentliches Bestandteil glänzen: Zurückhaltung.
Klanglich ist „String Theory“ ebenfalls eine Wucht. Egal, ob es komplex zugeht oder solistisch agiert wird, der Sound bleibt transparent und offen, ohne je kühl zu wirken.
FAZIT: Jazz bildet die Grundlage, auf der PARTIKEL sich treiben lassen in Regionen, die nie ein Mensch zuvor…, das nun doch nicht. Es gibt spannende Ausflüge durch Zeiten und Stile, geeint durch die hohe Musikalität aller Beteiligten. Ob impressionistisch oder expressiv, von melodischer Kraft oder rhythmisch geprägt, diese „String Theory“ fußt auf mehr als einer Dimension.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.07.2015
Max Luthert
Eric Ford
Duncan Eagles (saxophone), Benet McLean, Dave Le Page (violin), Carmen Flores (viola), Mathew Sharp (cello)
Whirlwind Recordings/Indigo
61:00
19.06.2015