Vor kurzem gab es in einer Progrock-Gruppe auf Facebook die Diskussion, welche Band mit ihrem zweiten Album das Debüt locker getoppt hat. Am offensichtlichsten sind natürlich GENESIS, deren „Trespass“ den pianoseligen, mit zu vielen Streichern versehenen, Erstling locker in den Schatten stellte, und den Pfad der folgenden Jahre einschlug. Bei CAMEL ist es schon schwieriger, bei PINK FLOYD, BEGGARS OPERA oder ANTHONY PHILLIPS herrscht etwa Gleichstand. PARZIVALS EYE schließen sich leider der Fraktion an, bei der das genaue Gegenteil der Fall ist: „Defragments“ bleibt ein gutes Stück hinter dem hörenswerten Debüt zurück.
Chris Postl hat sich fünfeinhalb Jahre Zeit gelassen mit seinem Zweitwerk, weshalb es an der Produktion wenig zu mäkeln gibt. Gut, der Drumsound hätte etwas mehr Präsenz vertragen, aber ansonsten ist das Album eine runde Sache. Fast zu rund; geradezu butterweich und glattgebügelt. Das erinnert fatal an die Richtung, die die unverbindlichen Spätwerke des ALAN PARSONS PROJECT nahmen. Der melodische Entwurf ist nicht groß genug für hymnischen Pop, und Experimentierfreudigkeit wie Ecken und Kanten fehlen zum progressiven (Kunst)werk. Die Songs auf „Defragments“ sind einschmeichelnd, schwelgerisch, besitzen gelegentlich ergreifende Momente („Reach The Sky“ ist ein sehr gefälliger Einstieg), aber diese Höhepunkte sind recht rar gesät.
Während die Interpretation von YES „Long Distance“, logischerweise ohne „Runaround“, zur einfühlsamen Ballade, mit Christina Booth am Mikrophon, den eigenwilligen Reiz der Andersartigkeit besitzt, ist die zweite Coverversion „Two Of Us“, im Original von SUPERTRAMP, eine mittlere Katastrophe. Das Tempo wird verschleppt, jedes vorwitzige Häkchen und Öschen konsequent entfernt, übrig bleibt ein lebloses Rudiment, das mit Booth‘ Stimme überhaupt nicht korreliert. Ähnlich sieht es mit dem neunminütigen „Walls In My Mind“ aus, dessen ersten drei eingesungenen Minuten jedes progressive Moment auf dem Altar der Schlagerseligkeit opfern. Im längeren Instrumentalteil fängt sich der Song wieder, bleibt aber ein leicht biederer, langwieriger Umzug ins Wolkenkuckucksheim, mit MANFRED MANN als Möbelpacker. Diese Mischung aus einlullender Verträumtheit und hausbackenem Charme (mit viel Tasteneinsatz) macht weite Teile des Albums aus.
In „Liar“ treffen sich die BEATLES mit RPWL und reden über weidlich Bekanntes; das folgende „Out On The Street“ klingt nach heimeliger Sandkastenromantik und nicht nach Straßenrealität. „Defragments“ ist wie ein netter Nachbar, den man schon lange kennt, mit dem man sich gerne auf der Straße unterhält, den man sich aber nur ins Haus holt, wenn man Einschlafprobleme hat.
FAZIT: Nicht jedes Ding das Weile hat, wird automatisch gut. PARZIVALS EYEs „Defragments“ ist solch ein Teil. Ein paar liebenswerte Songs und anheimelnde Melodie(böge)n sorgen für angenehme Berieselung, wenn man die schwächelnden Teile skippt, vorspult oder überhört. Macht nichts, Potenzial ist immer noch vorhanden. Warten wir auf Album Nummer Drei. Vielleicht nicht wieder fünf Jahre.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.04.2015
Chris Postl
Chris Postl, Christina Booth, Tom Appel
Chris Postl, Ian Bairnson, Ossi Schaller, Vipo Maat
Chris Postl, Martin Keeser
Stephan Treutter, Phil Paul Rissettio
Chris Postl (mandolin)
Gentle Art Of Music/Soulfood Music
69:50
17.04.2015