Erinnert sich noch jemand an die Zeit, als Heavy Metal der süße Duft von ungestümer Begeisterung umwehte, der Hauch des Imperfekten über den Arrangements lag, räudige Rasanz wichtiger war als perfekt ausgearbeitete Gitarrensoli? Falls jemand dieser Zeit hinterher trauern sollte, ist die Zeit des, ähem, Schwarztragens vorbei: Die finnischen Wahnsinnigen von RANGER haben mit „Where Evil Dwells“ endlich ihr offizielles Debütalbum eingeprügelt.
Im Underground eilt dem Quartett bereits ein erstklassiger Ruf voraus, der so rein gar nichts mit netten Hochglanzprodukten zu tun hat. Wer schon einmal die Frühwerke der Band (unbedingt empfehlenswert: die Demo-/EP-Compilation „Skull Splitting Metal“) gehört hat, weiß, um was es hier geht: Speed Metal, Speed Metal, Speed Metal. Unbarmherzig heruntergeholzt, mit wilden Gitarrensoli, mit hohen, höheren, höchsten Schreien, ein permanenter Ritt auf der Rasierklinge. Eben genau so, wie Heavy Speed Metal 1980 klang.
Wobei: Die Finnen haben tatsächlich, Vorsicht, eine musikalische Weiterentwicklung hinter sich. Allerdings, die Szenepolizei kann das Blaulicht gleich wieder ausstellen, alles im Rahmen einer musikalischen-Reinheitsgebot-kompatiblen Variante. Dem frühen Material konnte man angesichts des übermütigen und ungestümen Vorgehens noch verzeihen, dass nahezu durchgehend das Gaspedal bis auf den Straßenbelag durchgedrückt wurde, dass ein wenig die Abwechslung fehlte. Auf „Where Evil Dwells“ gibt es zwar zu 95 Prozent immer noch reinrassiges Hochgeschwindigkeitsgebolze mit irren Schreien, wahnsinnigen Vocals, alles zerschrotenden Gitarren und einem Drummer, der permanent auf der Flucht zu sein scheint, doch wird zumindest partiell das Tempolimit beachtet, wenn etwa im zehnminütigen (!) Titeltrack schwere, walzende Parts eingebaut werden oder gar mal ein annähernd akustisches Intro zu hören ist („Black Circle“). Dazu kommt, dass Mikael und Ville an der Gitarre spürbar an Qualität zugelegt haben, und bei aller ruppigen Rifforientierung jetzt songdienlicher spielen und auch melodische Twin-Guitar-Soli auf die Reihe bekommen.
FAZIT: Speed Metal der ganz alten Schule bekommt man heutzutage viel zu selten zu hören. RANGER machen da weiter, wo AGENT STEEL, ABBATOIR, SLAYER und Konsorten vor langer Zeit aufgehört haben, bringen die ungeschönte Fratze zurück in den vor lauter Schminke kaum noch zu erkennenden Heavy Metal. Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhh!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.03.2015
Dimi Pontiac
Dimi Pontiac
Mikael, Ville
Miko
Spinefarm Records / Caroline
38:48
13.03.2015