Junge Progmetal-Aufständler aller Länder, vereinigt euch! Der aufgeschlossene Prog-Freund sollte immer nur mit maximal einem Bein im Retro-Sumpf baden, um nicht zu verpassen, was an der Young-Modern-Front passiert. Was haben wir in den letzten Jahren nicht an aufstrebenden Umgestaltern kennengelernt. Mal ganz abgesehen von der US-Djent-Szene um PERIPHERY, TESSERACT und ANIMALS AS LEADERS gibt es da noch die meist weniger auf Technik denn Gefühl getunte Rest-Of-World-Fraktion, etwa mit den Polen DISPERSE oder den Israelis CHAIN REACTION. Auf skandinavischem Gebiet schicken sich seit längerer Zeit LEPROUS an, die ganz große Nummer zu werden, was deren Drittling „The Congregation“ nochmals fett unterstrich. Im Vorgruppen-Gepäck bringen LEPROUS nun die Newcomer RENDEZVOUS POINT mit. Und wenn man sich nur schon das erste Riff anhört, ergeben sich die Zusammenhänge automatisch.
Komplettes Neuland betritt „Solar Storm“ zwar nicht, aber doch ein frisches Neubaugebiet, das nun naturgemäß von Nachzüglern erschlossen wird. Eine besonders schneidende und mit Bestimmtheit geführte Gitarre sorgt für das Metal-Etikett, duelliert sich jedoch nicht mit einer zweiten Gitarre, sondern mit schmucker Keyboard-Begleitung, die von Piano-Klassik („The Conclusion Pt. I“) ebenso viel zu erzählen weiß wie von futuristischen Schwingungen („Through The Solar Storm“) oder dem reduzierten Pathos eines einarmigen Jordan Rudess („Wasteland“). Tritt Tastenkünstler Nicolay Tangen Svennæs mal in den Hintergrund, wird es gleich hart und düster, wie im Ausklang „Para“, den er nur noch mit einzelnen Noten punktiert, während Petter Hallaråker krachende Wellenbrecher von seinen Saiten aussendet. Mitnichten geht die Härte aber nur von der Gitarre aus, denn Baard Kolstadt unterstützt sie mit pressendem Schlagzeugspiel, das in erster Linie Takttwists ausführt, allerdings auch eine gewisse Zugänglichkeit für sich beansprucht.
Geirmund Hansen folgt dem Szenetrend des Grunzfreien und lässt hellen Klargesang für sich sprechen. Derweil wird er nur selten so aggressiv wie auf „The Conclusion Pt. I“ oder im finalen Krächzer von „Pt. 2“. Im Vergleich mit einem übermächtigen Kollegen wie Einar Solberg klingt er vielleicht etwas monoton, was sich auch auf das Gesamtbild des Albums auswirken mag. Vielleicht ist man inzwischen aber auch einfach etwas zu verwöhnt in dieser Hinsicht; es würde im Übrigen auch keinesfalls der kompositorischen Vielfalt gerecht, die man auf der Platte vorfindet, die ganz nebenbei stark arrangiert ist mit repräsentativen Kostproben im Opener, Wachrüttlern im Mittelfeld und einem signifikanten Doppeldecker anstatt eines Atmo-Ausklangs am Schluss.
FAZIT: RENDEZVOUS POINT können bereits auf ihrem Debüt gut mit den Etablierteren mithalten, auch wenn sie deren Pioniersarbeit dankend annehmen und letztlich „nur“ darauf aufbauen müssen. Das Resultat, die Paarung von harter Härte, Komplexität, Dynamik und Gefühl, ist dennoch absolut hörenswert. Schließlich ist auch der Sonnensturm ein spektakuläres Schauspiel, selbst wenn die Lava immer wieder zur Kugel zurückfließt, nachdem sie sich energisch in die Luft katapultiert hat.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.11.2015
Gunn-Hilde Erstad
Geirmund Hansen
Petter Hallaråker
Nicolay Tangen Svennæs
Baard Kolstad
Karisma Records
44:27
02.10.2015