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Schizoid Lloyd: The Last Note In God’s Magnum Opus

Stil: Aberwitziger Grand Guignol Prog

Cover: Schizoid Lloyd: The Last Note In God’s Magnum Opus

SCHIZOID LLOYD stammen aus Haarlem, nicht dem in New York, sondern aus dem mit den zwei ‚aa‘ in Holland, wenige Kilometer westlich von Amsterdam. Wer jetzt, dem malerischen Ort entsprechend, pittoresken Schmuseprog erwartet, darf sich freudig enttäuscht sehen: Gegeben wird großes Grand Guignol-Progtheater, ein Parforce-Ritt durch Zeiten, Genres, Klänge, Stimmungen.

Stellt Euch A.C.T. und 10CC im magischen Verbund vor, die den Konzertsaal nicht zu einem großen, bunten Panoptikum umbauen, sondern ihn mit Lust und Laune abfackeln. Umgehend wird dem „Suicide Penguin“ gehuldigt, mit einem Chorus aus einer böhmischen Rhapsodie zum Einstieg, dann setzt die Orgel schillernde Akzente, bevor der Song in ein scharfkantiges Metal-Epos umkippt, zu dem ein frenetisches „Halleluja“ angestimmt wird, das in eine wahnwitzige Liebeserklärung übergeht. Bevor man gutgelaunt ein wenig Klassik-Prog á la EKSEPTION ausprobiert. Wohlgemerkt, wir sind immer noch beim ersten Stück, das mit fünfeinhalb Minuten beileibe kein Longtrack ist.

Danach wird in drei Minuten Weihnachten sowohl zerhackt wie zelebriert. Knecht Blutbrecht trifft auf das Wunder von Manhattan. Und es passt. Irgendwie gelingt es der Band all die überbordenden Ideen und Sounds unter einem Dach zu vereinen, es zu wölben bis zum Gehtnichtmehr, ohne es zu zersprengen. So trifft melancholischer Indie-Rock auf hämmernde Passagen mit Growls, um in einem hymnischen Gitarrensolo aufzugehen („Avalanche Riders“). SCHIZOID LLOYD kombinieren scheinbar mühelos Härte, Gefühl und pure Lust am kunstvoll zelebrierten Wahnsinn, ohne in unnötige Hektik auszubrechen. Das ist abwechslungsreich und wild, nie bruchstückhaft und unausgegoren. Jeder Einfall wird kurz ausformuliert ehe ein neuer aufgegriffen wird. Neben harten und vertrackten Ausbrüchen finden sich eine Menge Träumereien, die zum Verschnaufen und Innehalten einladen.

Das komplexe Werk ist klug und einnehmend durchchoreographiert. Ob saubere Produktion, ausgefeilte spieltechnische Kapriolen, pointierte Lyrics oder exzellenter Gesang, solistisch wie im Chor, alles bekommt seinen Raum und hat genügend Luft zum Atmen. Und geht (nicht nur) im beseelten Ausklang „Prodigal Son“, der sogar eine Verbeugung vor Jaques Brel und Amsterdam hinbekommt, mitten ins Herz.

FAZIT: Prog, Psychedelik, Metal, Weltmusik, Musical, Jazz, Hip Hop und dies und das – SCHIZOID LLOYD basteln daraus eine Bombe, die nichts zerstört sondern in einem funkelnden Feuerwerk explodiert. Progressiver Rock, der seinen Namen tatsächlich verdient. Die Band aus dem idyllischen Haarlem sorgt für eine fette Überraschung und liefert ein knallbuntes, vielschichtiges Jahres-Highlight ab. Ob von 2014 oder 2015 ist egal*.

*Als Veröffentlichungsdatum wird im Beipackzettel der 14.08.2015 angegeben, doch wie das Netz mehrfach verrät, ist ‚die letzte Note/Eintrag in Gottes Magnum Opus‘ (Tiefstapeln ist augenscheinlich nichts für SCHIZOID LLOYD) bereits im letzten November erschienen.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.08.2015

Tracklist

  1. Suicide Penguin
  2. Christmas Devil
  3. Avalanche Riders
  4. Misanthrope Puppet
  5. Film Noir Hero
  6. Amphibian Seer
  7. Cave Painter
  8. Chicken Wing Swans
  9. Citizen Herd
  10. Prodigal Son

Besetzung

  • Bass

    Guus van Oosterum

  • Gesang

    Ruben Kuhlmann, Remo Kuhlmann, Guus van Oosterum, Thom Lich, Judith Wesselius Haarlems Studentenkoor

  • Gitarre

    Thom Lich, Remo Kuhlmann

  • Keys

    Silas van Bezu, Ruben Kuhlmann, Daan Divendal

  • Schlagzeug

    Boy van Ooijen

  • Sonstiges

    Remo Kuhlmann (sitar), Gijs Levelt (trumpets), Ruud van Ooijen (saxophone), Galletta Kwintet (strings)

Sonstiges

  • Label

    Blood Music/JustForKicks

  • Spieldauer

    57:23

  • Erscheinungsdatum

    14.08.2015

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