Als Tarja Turunen 2011 im Luna Park in Buenos Aires auftrat, tat sie dies wie in Südamerika gewohnt vor dankbarem Publikum, weshalb man diesen opulent inszenierten "Luna Park Ride" als Veröffentlichung auf Nummer sicher ansehen kann. Davon abgesehen bietet die Doppel-CD (oder in welchem Format man die Scheibe sonst erstehen mag) einen einigermaßen gesunden Querschnitt durch eine schon zu NIGHTWISH-Zeiten egal gewordene Karriere einer streitbaren Sängerin.
Kurzum, Turunens klassischer Sopran ist einfach nicht der wahre Jakob für harte Musik, weshalb schon simple Rocksongs wie "Falling Awake" oder "Dark Star" verkrampft klingen, auch und gerade live eingefangen mit einer krachenden Rockband, deren prollige Tieflader-Riffs ("Little Lies") nebenbei bemerkt zum zwiespältigen Gesamteindruck beitragen. Nicht dass dies erst jetzt an Tarjas Solomusik auffallen würde, doch die Bühnensituation macht es umso deutlich, wobei dezent elektronischer Zierrat hier und dort live noch bemühter klingt.
Das über 70-minütige Bonusmaterial rekapituliert die Jahre 2010 bis 2014 mit mehr oder weniger denkwürdigen Auftritten, sei es beim Masters Of Rock in Tschechien inklusive Chor und klassischem Orchester, beim Summerbreeze, auf dem Wacken-Ballermann oder jüngst in Russland. CD zwei hinterlässt einen erstaunlich runden Gesamteindruck, auch trotz dieses Sampler-Charakters, wohingegen der Hauptteil in Sachen Dramatik stimmig in Szene gesetzt wurde.
Sieht man darüber hinweg, dass Tarja auf grauenhafte Weise BON JOVIs Klassiker "Livin' On A Prayer" zitiert und auch Belinda Carlisles "Heaven Is A Place On Earth" zersingt, geht sie vereinzelt als moderne Kate Bush durch ("The Crying Moon") und mit "The Siren" von ihrer ex-Band kein Wagnis ein, doch den Pferdefuß solcher Rückgriffe bekommt der Hörer spätestens bei "Stargazers" gegen den Kopf, denn das Stück ist zwar einer der Höhepunkte, aber irgendwie oberflächlich dahingerotzt. Das hat man auf den ersten Touren zu Debüt-Zeiten von NIGHTWISH (wer war dabei?) wesentlich engagierter dargeboten, oder zumindest verklärt der Rezensent das in Erinnerung so.
"Underneath" deckt artig die Balladen-Disziplin ab, das SODA-STEREO-Cover "Signos" fungiert als Eingeständnis an die Lokalität und ist ebenfalls ein Lichtblick des Set, was man schon vom im Studio drögen Schreiter "I Walk Alone" wiederum nicht sagen kann.
FAZIT: Tarjas dritte Live-Scheibe ist eine reine Fan-Angelegenheit und objektiv gesehen ein Zeugnis kreativer Armut, denn hier bündeln sich blutleere Pop-Beamtenmetal-Kompositionen aus dem Setzkasten in einem betont "live" anmutenden Klangbild", obwohl so etwas wenn überhaupt, dann nur glattgebügelt im Studio funktioniert - oder man muss vor Ort dabeigewesen sein und das Erlebnis verklären können.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.05.2015
Earmusic / Edel
68:23 + 69:45
29.05.2015