Zum zehnten Geburtstag des Ice Music Festival veröffentlicht der norwegische Percussion-Spieler Terje Isungset dieses neue Album und spielt dabei auf … genau, eisigen Tonerzeugern, die überall auf der Welt gesammelt wurden, wo es kalt ist. "Meditations" ist der Nachfolger bisher dreier so entstandener Alben und wurde innerhalb von vier Jahren zusammengestellt und vereint einige der Strippenzieher des skandinavischen Jazz schlechthin.
Cellist und Bassist Svante Henrysson tritt gleichermaßen im "freien" Genre wie im Hardrock in Erscheinung (LION'S SHARE, MALMSTEEN), der Schwede Edén vor allem im Folk, und Reidar Skår hat schon mit allem von Nils Petter Molvær bis zu Christian Wallumrød zusammengearbeitet, während man über Arve Henriksen gleichsam wenige Worte verlieren muss. Avantgarde also? Oh ja.
Lena Nymark hingegen war schon zuvor an diesem Projekt beteiligt gewesen und brilliert auch auf der neuen Veröffentlichung mit abseitiger Vokalkunst, die trefflich zu diesen gefälligen Klangexperimenten passen. "Meditations" klingt oftmals wie ebensolche: zum Sich-Fallenlassen, hypnotisch und ausdrücklich nicht liedhaft. Es klingelt, gluckert ("Glacial Motion") und brummt an allen Ecken und Enden, wobei sich keine konventionellen Melodien herausschälen, sondern Klangmodulationen im Vordergrund stehen beziehungsweise kantige Tonfolgen improvisiert werden. Hörenswert ist das durchweg ausdrucksvolle Treiben aber dennoch.
Speziell Henriksens verlorene Trompete gemahnt an die frühen Werke der Sopransaxofon-Ikone Jan Garbarek ("Polar Aurorae"), und in "H2O Cycle" sind es die Streicher-Parts, die erstaunlicherweise - das rhythmische Fundament stammt immerhin von erstarrtem Wasser - ein einträchtiges Gefühl vermitteln, während in puncto Takt entsprechend frei agiert wird. "Lomonosov Ridge", "Industrial Arctic" und "The View" liegt gleichwohl ein relativ regelmäßiger Puls zugrunde, aber Drone und Natur-Ambient überwiegen, wofür "Silent Folk" - tatsächlich wiederum mit Nymarks Stimme ein Stück Folklore "left of field" - stellvertretend steht.
Der Gesamtcharakter von "Meditations" ist bei aller Ruhe nicht eindeutig zu bestimmen, denn schließlich verzeichnet die Scheibe auch aufwühlende Momente wie im schrillen "Global Warming/Global Warning" und verblüfft mit hibbeliger Virtuosität wie im Finale "Inuit Living". Kurzum: ein Erlebnis der besonderen Art.
FAZIT: Terje Ising lädt auf "Mediations" quasi zu einem physikalischen Hörspiel ein und erschafft im wahrsten Sinn des Wortes unerhörte Klänge. Auch wenn sich dieses Album nicht wie herkömmliche Musik rezipieren lässt, erzielt es die gleichen Wirkungen - bezirzt, entspannt, regt auf und ergreift.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.05.2015
Anders Jormin
Lena Nymark
Reidar Skår
Terje Isungset
Arve Henriksen (Trompete), Svante Henrysson (Cello), Mats Eden (Viola d'Amore)
All Ice
52:43
23.01.2015