Braucht man Tonerzeugnisse eines handwerklich zweifelsohne guten Musikers und Produzenten ohne eigene Vision, obendrein im inflationären Doppelpack mit Coverversionen einerseits und halbgaren Eigenkompositionen andererseits, geschmückt mit fremden Federn - nämlich der B-Prominenz der weiteren Rock-Szene - und den Logos von Sponsoren auf der dadurch billig wirkenden Hülle? Der Hörer wird hier für einen in der Vergangenheit steckengebliebenen Trottel gehalten und obendrein als Werbefläche missbraucht.
So viel dazu … Davon abgesehen handelt es sich bei BOYSCOUT, sollte man es noch nicht wissen, weil Robin Beck und Amanda Somerville wunders was von dem Mann dahinter halten, um das Projekt von Manuel Mijalkovski, der sich abseits der Biedermann-Klientel (auf mehr zielt er vermutlich auch gar nicht ab) hierdurch nicht mit Ruhm bekleckern wird. Die zum Nachspielen herangezogenen Stücke sind ohnehin eine unerhörte Auswahl, allen voran "Born To Be Wild" von STEPPENWOLF und "Ride The Wind" (POISON), vorgetragen von zwei deutschen Rockszene-Ärgernissen, nämlich Claus Lessmann (ehemals BONFIRE) bzw. Michael Voss (CASANOVA u.a.). Im weiteren Verlauf erdreistet sich Mijalkovski, Bob Segers "Turn The Page" (das konnte METALLICAs Hetfield besser), Robert Teppers "No Easy Way Out" (okay, ist auch im Original nicht berauschend) und Leonard Cohens "Hallelujah" (Sakrileg!) selbst zu intonieren.
Über Tony Careys Vortrag von Jackson Brownes Uralt-Nummer "Take It Easy" und Oliver Hartmanns kerniges "Juke Box Hero" (FOREIGNER) darf man den Daumen indes verhalten hochstrecken, wohingegen Paul Shortino (QUIET RIOT) bei JOURNEYS "Wheel In The Sky" irgendwie kaltlässt; hier stimmt wiederum das recht originalgetreue (ist eigentlich bei allen Interpretationen der Fall) Arrangement auf instrumentaler Seite mit cleaner Schlaggitarre im Hintergrund. Der Ohrwurm "Because The Night" (Patti Smith/Bruce Springsteen) wirkt rhythmisch leicht hölzern, und Sängerin Linda Lulca möchte unbedingt sexy klingen, was hinten und vorne nicht passt. Jeff Scott Soto (u.a. TALISMAN) kann letztlich nicht einmal bei einem Rock-Standard wie "Route 66" verlieren.
Zu den eigenen Gewächsen von BOYSCOUT: Biker-Klischees und auch sonst alle Rock-Stereotypen kramt der Strippenzieher aus, sicherlich stilecht (aber nicht stilvoll) in Szene gesetzt und handwerklich kompetent umgesetzt, aber mehr eben auch nicht. Auch hier sind es die von Arbeiten mit ihm bereits bekannten "Stars", die den Kommher ausmachen (sollen), eben Amanda Somerville für die grauenhaft süßliche 2011er Single "Blood Red Rose" und Robin Beck beim leicht country-esken "Hey, I Love You". Die flotteren Nummern fetzen ganz gut ("I'll Be There For You"), weitere Erörterungen erübrigen sich bei so viel Unaufregendem, die Kritik ist ohnehin bereits zu lang.
FAZIT: Ja, ja, value for money und so, aber nüchtern gesehen ist das hier eine Menge hübsch klingender Ausschuss, der mit Rock nur im Ansatz etwas zu tun hat, eine Dienstleistung an gesetzten Alt-Rebellen mit Frau, Kind und Bürojob, die im Angesicht von so viel Spießertum vornehmlich aus Süddeutschland kommen dürften wie der Balinger Macher hinter BOYSCOUT. Klischees, klar, doch die verbrät Manuel Mijalkovski ja selbst auch - hehre Intentionen hin, Herz am rechten Fleck her.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.12.2015
Sonic Revoltion / Soulfood
40:41 + 48:28
04.12.2015