Wie wichtig ein zweites Standbein sein kann, haben BARONESS bis vor Kurzem auf schmerzliche Weise am eigenen Leib erfahren müssen. Der Busunfall 2012, den die Amis glücklicherweise überlebten, hatte nicht nur mehrere Knochenbrüche zur Folge, er wirkte sich auf das Bandgefüge aus. Das gerade erschienene und gefeierte Doppelalbum „Yellow & Green“ konnte logischerweise nicht wie geplant live beworben werden, hinzu kamen die hohen Behandlungskosten, die ohne Krankenversicherung nicht ohne Weiteres zu stemmen waren. Auf den Ausstieg von Drummer Allen Blickle und Bassist Matt Maggioni aus der angespannten Lage folgte zwar 2013 endlich wieder eine Tour mit neuen Mitgliedern, seitdem ist es aber still um das Quartett geworden. Gut, dass zumindest Frontmann Peter Adams noch einer zweiten Combo vorsteht.
Seine ersten musikalischen Gehversuche unternahm der singende Gitarrist 2002 zusammen mit seinem Bruder Jake bei den Stoner Metallern VALKYRIE, die drei Jahre später ihr Debüt veröffentlichten. Geboten wird entspannter Südstaaten-Metal mit trockener Produktion und ausgiebigen Soloausritten durch die staubige Prärie. Nun erscheint mit „Shadows“ das dritte Album, dessen Realisierung wahrscheinlich durch die momentane Ruhephase bei BARONESS ermöglicht wurde. Das letzte VALKYRIE-Werk „Man Of Two Visions“ hat immerhin schon sieben Jahre auf dem Buckel und fiel zeitlich mit dem Einstieg Peter Adams‘ bei den Kollegen aus Savannah, Georgia zusammen. Doch trotzdem klingt die Musik heute so, als wären VALKYRIE nie weggewesen.
An der Ausrichtung ändert sich fast gar nichts, der Vierer bringt weiterhin einen genauso harten wie melodisch-lockeren Ansatz ins Studio ein. Neue Akzente setzt zum einen die Produktion, die um einiges moderner ausgefallen ist als der kantige Klang der beiden Vorgängerscheiben. Beide Herangehensweisen haben ihre Vorteile: die älteren Platten verfügen über einen unbearbeiteten und warmen Sound, der daran, welche Bands besonders oft auf dem Adams’schen Plattenteller rotierte. „Shadows“ hingegen profitiert von den Erfahrungen im Hause BARONESS, die neuerdings auf entschlackte Songs und klar produzierte Instrumente aus sind. Zu Gute kommt das vor allem das brüderliche Gitarrenduo, die sich – das ist die zweite Neuerung – noch öfter duellieren als zuvor.
Dabei ist natürlich legitim, dass auch die eine oder andere BARONESS-Melodie ihren Eingang in den VALYKRIE-Kosmos findet, das Problem ist ein ganz anderes. Twin Gitarren-Leads, schmissige Melodiebögen und halsbrecherische Soli sind ja an sich gern gehörte Stilelemente, wenn sie denn im richtigen Maß gebraucht werden. Gleich das einleitende ‚Mountain Stomp‘ zeigt, wie sich ein „Zuviel“ auf das Material auswirken kann: der Beginn verspricht einen Gutelaunerocker, der irgendwo zwischen Proto-Metal und Stoner Rock angesiedelt ist und heftig groovend Lust auf die kommenden Minuten macht. Nach zwei Minuten beginnt jedoch das erste Gitarrensolo, das in einen zweiten Songteil führt, der hauptsächlich von Twin-Gitarren-Duellen und weiteren Soli gekennzeichnet ist. Das Anfangsriff wird gar nicht erst wieder aufgenommen, stattdessen dauert das ganze Gedudel stolze vier Minuten. Selbstredend ist das Sechssaiterspiel von höchster Güte, aber trotzdem wünscht man sich doch relativ schnell wieder geregelte und bodenständige Songstrukturen wieder.
Von diesem Ereignis gebrandmarkt, reagiert der Hörer erst mal allergisch auf alle weiteren Ambitionen, die auf ein ähnliches Ergebnis abzielen. Leider ist auch in den folgenden drei Stücken der Solieranteil deutlich zu hoch, wodurch die an sich ordentlichen Stoner-Songs ungewollt und unverdient in den Hintergrund rücken. In ‚Temple‘ spielen sich Adams-Brüder gar in einen Rausch, von dessen Overkill sich der Hörer erst mal erholen muss. Weniger Selbstbeweihräucherung hätte auch dabei geholfen das Material kompakter und schlüssiger zu halten. Fast jeder der knapp fünf- bis siebenminütigen Songs ist zu lang, weil es neben zwei, drei Riffs und der Griffbrettflitzerei kaum etwas zu entdecken gibt.
Besser funktioniert das variable ‚Wintry Plains‘, das in THE SWORD-Manier doomig rockt, mit einer semiakustischen Bremsaktion überzeugt und nur ab und an durch ein Solo sinnvoll ergänzt wird. ‚Echoes…‘ ist ebenfalls etwas cleverer in der Auswahl seiner Einzelteile als die ersten Stücke und riffrockt durch die 70er, bleibt aber verzichtbar, weil es über keine Höhepunkte verfügt. Auch in ‚Carry On‘ können die Twin-Gitarren-Salven nicht den gewünschten Effekt erzielen, statt Gänsehaut für den BLACK SABBATH-Doom stellt sich wahlweise ein gelangweilter oder genervter Gemütszustand ein. So endet ein Album, das von technischer Warte aus sicherlich beeindruckt, jedoch über keinen schlüssig komponierten Song verfügt. Stattdessen herrschen leider zu oft 08/15, Vorlagenschieberei und Effekthascherei ohne Mehrwert vor, was man von der Arbeit Peter Adams‘ nun wirklich nicht gewohnt ist. Für Aufsehen wird die Band trotzdem sorgen, wenn auch nur temporär.
FAZIT: VALKYRIE sind nach sieben Jahren wieder zurück und nutzen die momentane Untätigkeit von BARONESS aus, mit denen Frontmann Peter Adams seinen Lebensunterhalt zu verdienen versucht. „Shadows“ ist moderner produziert, hat sich hier und da ein paar BARONESS-Melodien geliehen und verfügt eigentlich über sieben solide Stoner Metal-Songs. Diese fallen zwar alles in allem etwas unspektakulär aus, leiden aber noch mehr am unentwegten Drang der Gitarrenfront nach Soli und Twin-Gitarren-Melodien. Das haben die beiden Adams-Brüder in jedem Fall drauf, reizen diese Trademarks aber bis ins Unerträgliche aus. Dass die Songs unter diesem Leistungsgedanken leiden, versteht sich von selbst.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.05.2015
Alan Fary
Peter Adams; Jake Adams
Peter Adams; Jake Adams
Warren Hawkins
Relapse Records
42:37
15.05.2015