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Versengold: Live 2015

Stil: Live-Mittelalter-Folk mit riesigen Fan-Chören

Cover: Versengold: Live 2015

Nachdem uns die Bremer Band VERSENGOLD mit „Zeitlos“ ein wirklich unglaublich starkes Studio-Album um die Ohren gehauen haben, warten sie schon kurze Zeit später mit einem Doppel-Live-Album auf, das zwar ähnlich stark, aber in seiner Umsetzung nicht ganz so konsequent vorgeht, wie das mutige Studio-Album, welches ihr insgesamt siebtes war!

„Live 2015“ ist nicht etwa der Mitschnitt eines zusammenhängenden Konzerts, sondern eine Zusammenstellung von VERSENGOLD-Auftritten in Nürnberg, München, Wien, Wuppertal, Kaiserslautern, Aschaffenburg, Hannover, Berlin, Hamburg und Leipzig - alle im Monat Oktober aufgenommen.
Natürlich wird jetzt niemand von denjenigen, die bei einem dieser Konzerte mit dabei waren, um diesen liebevoll digi-verpackten Doppeldecker samt kleinem Poster herumkommen. Denn wir hören darauf ja nicht nur VERSENGOLD, sondern auch ausgiebig ihr sangesfreudiges, euphorisches Publikum, das mit souveräner Textsicherheit und feinem Melodie-Gefühl die Band als vielstimmigen Chor bei fast allen Songs begleitet.

Längst sind VERSENGOLD vom „Mittelalter-Szene-Geheimtipp“ zur ganz großen Nummer geworden, was diese Live-Aufnahmen unwiderruflich belegen. So kann man auch getrost und einstimmig der Feststellung des Promo-Waschzettels folgen, in dem es heißt: „Mit ihrem modernen, lyrisch ausgefeilten deutschen Folk ziehen sie gekonnt Hörer aller Facetten auf ihre Konzerte: Vom Mittelalter-Fan bis zum Folkliebhaber, vom Rocker oder Metalhead bis zum Liedermacher, vom Dark-Waver bis zum Deutschlehrer, von Kindern und Teenagern bis Senioren kann jeder sich für das aberwitzige Textwerk und die ausgefeilten Arrangements dieser einzigartigen Besetzung begeistern.“
Und diese „einzigartige Besetzung“ schafft es dann direkt von der Bühne herunter alle vom Biedermann bis zum Exoten vertretenen Musikliebhaber zu einem riesigen Chor zusammenzubringen, der lauthals gemeinsam mit den Musikern oder solistisch unter deren Anleitung (mit)singt.

Darum durfte selbstverständlich auch der Schunkel-Shanty „Ich und ein Fass voller Wein“ nicht fehlen. Offensichtlich beim Hamburg-Konzert gesungen und mit tollen Zwischen-Kommentaren der Musiker versehen, die ihr Publikum so sehr anheizen, dass die aus dem Singen nicht mehr herauskommen, welches dann durch eine wahre „Weinfass Tune“-Fiddel-Apokalypse beendet wird, die in uns die Frage aufwirft, wie es einem Musiker möglich ist, dermaßen schnell und fehlerlos sein Instrument zu spielen. Ein wenig Zeit zum Grübeln bleibt uns dabei jedenfalls, da wir nun den Weg zu unserem CD-Player antreten müssen, um berauscht von solcher Musik, die unsere Ohren wahrhaft besoffen macht, die erste gegen die zweite CD auszutauschen.

Kaum dass diese im Player rotiert, erwartet uns ein sehr ähnliches, ausgelassenes Live-Klangbild von VERSENGOLD, die selbst vor Tod und Teufel keinerlei Respekt haben und den lieben Gott samt seiner irdischen Stellvertreter gehörig auf die Schippe nehmen. Auch möchte man beim Hören von „Ablasstanz“ zu gerne wissen, wie viele Hamburger Fans der Aufforderung nachkommen, sich „alle Klamotten vom Leib zu reißen“. Vielleicht gibt‘s aus diesem Grunde nur eine Audio-, aber keine DVD-Aufnahme des Konzerts, weil beim Betrachten alle FSKler [Freiwillige Selbstkontoll(eur)e] einen roten Kopf bekommen, während alle FKKler (Freie Körperkulturis) aus dem Lachen nicht herauskämen.

Bei VERSENGOLD live steht eben größtenteils die Freude und der Spaß an der Musik im Mittelpunkt, was leider auch dazu führt, dass bei der Auswahl der Titel es die textlich kritischsten, aber in der derzeit so kriegerischen System-Stimmung auch sehr wichtigen Songs, es nicht auf die Live-CD geschafft haben, wobei ich besonders an den bewegendsten VERSENGOLD-Titel „Die Namen von Millionen“, aber auch „Der Rubel rollt“ denke.

FAZIT: 2015 war ein mehr als erfolgreiches Musik-Jahr für VERSENGOLD. Dies verdanken sie besonders auch ihren Live-Qualitäten und ihrem unermüdlichen Einsatz auf den Konzertbühnen in Deutschland und Österreich. „Live 2015“ zeigt jedenfalls, dass die mittelalterlichen Folk-Rocker aus Bremen fast Unglaubliches auf der Bühne zustande bringen, um damit ihr Publikum zu ähnlich Unglaublichem zu animieren.
Wo bitte bleibt die DVD zu dieser Doppel-CD?

Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.12.2015

Tracklist

  1. CD 1 (55:02):
  2. Intro
  3. Zeitlos
  4. Wem? Uns!
  5. Kein Trinklied
  6. Hoch die Krüge
  7. Sol‘s Reel
  8. Frühlingsgruß
  9. Immer schön nach unten treten
  10. Schon immer mal
  11. Wolken
  12. Im Namen des Folkes
  13. Spaß bei Saite
  14. Ich und ein Fass voller Wein
  15. Weinfass Tune
  16. CD 2 (56:42):
  17. Ihr seid Musik
  18. Drey Weyber
  19. Paules Beichtgang
  20. Ablasstanz
  21. Schortis Drumsolo
  22. Versengold
  23. Luna‘s Reel
  24. Seemansgarn
  25. Einerley
  26. Vom Zauber des Wildfräuleyns
  27. Halunken betrunken
  28. Outro

Besetzung

  • Bass

    Eike Otten

  • Gesang

    Malte Hoyer, Daniel Gregory, Florian Janoske, Alexander Willms, Eike Otten, Sean Lang, Katja Moslehner

  • Gitarre

    Daniel Gregory, Florian Janoske

  • Keys

    Sean Lang

  • Schlagzeug

    Sean Lang, Thomas Heuer

  • Sonstiges

    Flöten, Violinen, Nyckelharpa, Bodhran, Bouzouki

Sonstiges

  • Label

    FUEGO / Indigo / Zebralution

  • Spieldauer

    111:44

  • Erscheinungsdatum

    04.12.2015

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