Warren Haynes suhlt sich im eigenen Saft, wenn er Gäste aus seinen Bands für Solotätigkeiten einspannt, aber das ist nur legitim, denn stilistische Wagnisse geht der Gitarrist und Sänger Zeit seiner Karriere oft genug ein. Davon bleibt auch dieses quantitäts- und qualitätsmäßig herausragende Quasi-Soloalbum nicht "verschont", auch wenn der Gesamtcharakter ein stringenter ist.
Haynes hat teils recht ausladende Stücke von sieben bis acht Minuten komponiert, allen voran die ruhige, aber aufregende Klangreise "Blue Maiden’s Tale" und "Spots Of Time" aus der Feder von GRATEFUL DEADs Phil Lesh sowie Haynes selbst, wobei ALLMAN-BROTHERS-Bassist und Session-Meister Oteil Burbridge sowie Perkussionist Marc Quinones das ohnehin üppige Klangfarbenspektrum erweitern. Dem gegenüber stehen minimalistisch inszenierte Stücke wie "Glory Road", das der wehmütigen, kritisch nachdenklichen Maxime von Texten wie auch jenem von "Company Man" gerecht wird.
Dem Jam-Rock von GOV'T MULE oder den DEAD hängt "Ashes & Dust" nur ansatzweise nach, was auch gut so ist, denn davon gibt es ohnehin genug, auch und gerade aus Haynes' eigener Hand. Das elegante "Stranded In Self-Pity", das kleine Roadmovie "Gold Dust Woman" mit Gastsängerin Grace Potter oder die Balladen "Is It Me Or You" und "New Year’s Eve" - sie alle sprechen eine andere, nicht weniger vollmundige Sprache und rangieren handwerklich wie ideell mindestens zwei Klassen über dem Gros der Country- und Southern-Szene.
"Beat Down The Dust" bietet einen der seltenen kämpferischen Momente dieses emotionalen Meisterwerks, dessen Deluxe-Edition noch vier Demos und eine Live-Version von "Hallelujah Boulevard" enthält. Letzteres ist ein fast schon dröhnendes Halbkuriosum auf einem Album voller Überraschungen. Nicht zuletzt dem Banjo fällt eine tragende Rolle zu, ob im melancholischen "Coal Tattoo" oder bei "Wanderlust" mit Grammy-Gewinner Shawn Colvin und Mundharmonika-Chef Mickey Raphael. Besser wird's in diesem Bereich 2015 nicht mehr.
FAZIT: Mit unheimlicher stilistischer und spielerischer Bandbreite flicht Warren Haynes ein anrührendes Album voller Klanglandschaften eines zwar idealisierten, aber nicht blauäugig betrachteten Westens und bewährt sich damit als einer der wichtigsten Gitarristen/Songwriter seiner Zeit. "Ashes & Dust" legt eindrucksvoll Zeugnis davon ab, Punkt.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.07.2015
Mascot / Rough Trade
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24.07.2015