Vielleicht sehnen sich ja einige noch nach den 80er Jahren zurück, in denen der Elektro-Pop sich wie Phoenix aus der Rock- und Akustik-Asche erhob und die Diskotheken mit solch illustren Namen wie VISAGE, CAMOUFLAGE, A-HA, ULTRAVOX, NEW ORDER und natürlich DEPECHE MODE überschüttete. Die Leute waren damals aus dem Häuschen, weil sich Melodien und Rhythmen mal langsamer und mal ziemlich flott zu einem künstlichen Musikgemisch, bei dem die Tasteninstrumente und Synthesizer die erste Geige spielten, verfloss. Schnell aber stellte man fest, dass solche Musik zwar für den Tanzboden, aber nicht für die Ewigkeit gemacht war. Doch immer wieder tauchten in den folgenden Jahrzehnten Bands auf, die sich der Traditionswahrung solcher Musik verschrieben und im besten Falle diese sogar mit Elementen des Krautrocks anreicherten. Eine der besten in dieser Beziehung war ARCHIVE, der es gelang, den Trip Hop mit krautigem Indie- und bombastischem Post-Rock zu vermengen, um ein interessantes, elektrifiziertes Gebräu aus elektronischer Musik, ein paar rockigen Strukturen und progressiv anmutenden, vielfältigen kompositorischen Ideen in spannende Musik zu gießen, deren Höhepunkt 2014 mit dem düsteren Album „Axiom“ sowie einem dazugehörigen Film erreicht wurde.
Genau ein Jahr später taucht ein recht durchwachsenes ARCHIVE-Album „Restriction“ und die Band WE ARE BODIES auf, die im Grunde ein musikalischer ARCHIVE-Ableger ist, da in diesem Duo neben dem Komponisten und Gitarristen ROBIN FOSTER auch der ARCHIVE-Sänger DAVE PEN beteiligt ist und ganz offensichtlich deutliche Einflüsse seiner Stammband, bzw. seines zweiten Projekts BIRDPEN, geltend macht.
„We Are Bodies“ folgt zugleich einem Konzept, indem es die „dumpfe Monotonie auf der Erde in der unbewussten Gleichförmigkeit des 21. Jahrhunderts, einem Zeitalter des Konsums, in dem Menschen wie Androiden umhereilen, unwissend, dass jede ihrer Taten manipuliert ist und beobachtet wird“ anprangert. Ganz ähnlich wie bereits in „Axiom“ entsteht auch auf diesem Album eine Welt, wie sie GEORGE ORWELL in seiner düster-richtungsweisenden Utopie „1984“ entwarf, der wir uns leider anno 2015 immer mehr annähern. Aber solche Songs wie „A Light On“, „Guide Me Home“ oder „Shadows“ verbreiten demgegenüber Optimismus und setzen darauf, dass wir, wenn wir uns endlich wieder unseres wahren Menschseins besinnen, noch immer eine Chance haben, diese Entwicklung zu stoppen.
Musikalisch folgen WE ARE BODIES fast stringent ARCHIVE, wobei sie auch durchaus versuchen, eine Verbindung von Pop und Wave einzuflechten, die mit Krautrock der Marke NEU! oder LA DÜSSELDORF kombiniert auf Songs wie „Capsize“ sogar nach TALK TALK oder „A Light On“ nach TEARS FOR FEARS und frühen U2 klingt.
Eine außergewöhnliche Besonderheit des Albums versteckt sich hinter dem warm-voluminös klingenden Gesang von DAVE PEN. Denn der wurde, um genau so ungewöhnlich und zugleich authentisch zu klingen, komplett in einer Kathedrale (Quimper) in Frankreich aufgenommen, bevor den Mix des Albums dann JIM SPENCER in Manchester übernahm, der bereits NEW ORDER oder JOHNNY MARR ihr klangtechnisches Gesicht verlieh, womit auch ein soundtechnisches Highlight entstand.
Leider plätschern nichts desto trotz einige Songs auf „We Are Bodies“ doch zu selbstverliebt im Schönklang des Mittelmaßes vor sich hin. Wem der beiden das anzulasten ist, bleibt deren Sache. Doch egal was kommt, am Ende bleibt nur ein FAZIT:
Wer immer auf ARCHIVE steht und deren Musik liebt oder wer glaubt, dass auch im Jahr 2015 elektronischer Pop mit einem starken Hang zu den 80ern noch immer seine volle Daseinsberechtigung hat, der wird in WE ARE BODIES eine Bestätigung für diese These finden.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.03.2015
Dave Pen
Robin Foster, Dave Pen
Der Promo ist keine weitere Angabe zu beteiligten Musikern zu entnehmen. Sehr schade, denn wenn ein Album auf Keyboards setzt, wäre es nicht schlecht zu wissen, wer die spielt!
Membran / Neo
50:07
27.03.2015