Wie mag es einem wohl ergehen, wenn ein Wiedergänger seine leichenfaule Hand auf die Schulter legt? Die niederländische Band mit selbigem Namensgeber nähert sich jedenfalls unvermittelt von hinten und schert sich nicht darum, dass ihr nach Verwesung duftender Black Metal alles andere als originell klingt. Stattdessen knallt sie ihren Hörern acht intensive Nachthymnen vor den Latz und gefällt sich mit ihren Kammermusikspielen zwischen der Intonierung von Grimm, Erhabenheit sowie Verwesung, und nennt das auch noch selbstbewusst "Gueldrian Undeath Metal".
Und der klingt räudig, dreckig, auf gemeine Weise unnachgiebig, und wird doch irgendwie würdevoll und zweifelsohne kompetent dargeboten. Gleich beim ersten Song "Dwaallichtbezwering" wird kompositorisch deutlich, dass hier keine Anfänger am Werke sind, sondern Musiker mit einer klaren Vision und einem geschickten Händchen für das Verweben unterschiedlicher Stile und Tempi. "Gelderse Drek" verbreitet die rußige Kohlenschlotatmosphäre des frühen Heavy und Thrash Metal aus dem unweit hinter der Grenze liegenden Ruhrpott, bevor es mit einer Durchschlagskraft auftrumpft, die an Kampfars "Djevelmakt" erinnert. Die Gesangsdarbietung von Alfschijn im folgenden "Dodendans" zieht auch Lebenden die Schuhe aus, so Achtung gebietend zieht der Wortschmied ins Gefecht. "Wera-Wulfa" tönt wabernd aus einer Zwischenwelt zu uns herüber, in die sich nur wenige Wagemutige im Umfeld des Black Metal – Bergraven und Lekamen Illusionen Kallet (LIK) seien erwähnt – bislang hinein getraut haben, bis erneut eine Wendung mit unglaublicher Macht vollzogen wird und die Hölle losbricht. In dieser Hinsicht wirken WEDERGANGER kräftiger und kaum weniger eindringlich als Armagedda auf "Ond Spiritism". "Vlammenvonnis" vertont melancholische Wahrnehmungen mit solch ergreifender Schwermut, dass es es ein Fest ist. Würden Empyrium ihre schwarzmetallischen Wurzeln noch in eben jenem Stil mit der nötigen Leidenschaft würdigen, es könnte wohl ganz ähnlich klingen: Ein Lied zum Nachtwandern oder auch nur zum Niederknien – für mich eines der bewegendsten im Black Metal seit langen, langen Jahren (genau genommen seit dem Demo von Alverg). Das "Schimmenspel" wird allein auf dem Klavier intoniert und lädt mit kaum weniger melancholischen Klängen zur Introspektion ein, bevor "Walmend Graf" erneut eine garstige Breitseite von Geifer abfeuert. Die Wurzeln im klassischen Metal werden gekonnt verschleiert, doch der Rausschmeißer "Zwarte Gedachten" lässt keinen Verdacht aufkommen, dass hier irgendwelche Halbstarken ihre ersten Gehversuche als böse Buben unternehmen, sondern dass die schwarzen Gedankenspiele vielmehr jenem Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Leben und Tod Tribut zollen, für das im scheinbar "rationalen" Tagesgeschehen heuer nur wenig Raum zur kreativen Auseinandersetzung bleibt.
So oft ich mir das Album in letzter Zeit anhöre, die Faszination lässt nicht nach. So ergeht es mir mit Black Metal im weiteren Sinne nur noch selten, und es liegt wohl vor allem daran, dass keine Passage einem halbgaren Common Sense einer heuer überraschungsarmen Szene geschuldet ist, weil "man das halt so macht", sondern jede einzelne Tempoverschleppung macht Sinn, jedes Lied wurde mit beeindruckender Raffinesse sowie dem offensichtlichen Willen eingespielt, den Hörer hinters Licht zu führen, stellenweise im Vagen herumirren zu lassen – um ihm dann den Garaus zu machen.
Fazit: Ansprechende individuelle Gestaltungen gehören bei Ván Records bekanntlich zum guten Ton, und "Halfvergaan Ontwaakt" trumpft einmal mehr mit bemerkenswert karger und dennoch stimmungsvoller Optik auf, zumal die Texte allesamt handgeschrieben sind. Auf den ersten Blick mag das alles kaum außergewöhnlich scheinen, doch im Gesamteindruck handelt es sich bei "Halfvergaan Ontwaakt" um eine nahezu unheimliche Entfesselung morbider Energien, die sich in einer Spielart von finster zupackendem Metal verdichten. Dieser ertönt mit einer Hingabe, die an alte Meister wie Perished oder Armagedda gemahnt, und setzt trotzdem bereits jetzt dank einer zuweilen wie besessen aufspielenden Band und einem grandiosen Sänger eigene Maßstäbe. Ein prächtiges Debut und Anwärter auf das (Black) Metal Album des Jahres.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.09.2015
Quaetslagher
Botmuyl, Alfschijn
MJWW
Klavierendeler
Mysteriis
Ván Records
43:35
14.07.2015