Kann sich noch jemand unter unseren älteren Lesern an AFFINITY erinnern oder gibt es sogar auch ein paar junge Leser, denen diese Band trotz nur einer einzigen LP-Veröffentlichung im Jahr 1970 auch heute noch ein Begriff ist?
Nein!? Das sollten sie aber, denn AFFINITY waren eine britische Ausnahme-Band, die progressiv-folkigen Rock, ruhigen Pop, etwas Soul & Blues und (Achtung!) faszinierenden Jazz miteinander verbanden und zu herrlichem Klang verhalfen. Das lag neben den ausgezeichneten Instrumentalisten besonders an der Sängerin LINDA HOYLE, die der „Morning Star“ als „einen der besten drei jungen Sänger auf dieser Seite des Atlantiks“ bezeichnete oder die „Daily Mail“ noch etwas weiter geht, indem die Zeitung feststellt: „Kaum hört man Linda Hoyle, kann man sich nicht des Gefühls erwehren, dass hier eine BESSIE SMITH singt, obwohl die doch in einer ganz anderen Zeit geboren wurde.“
LINDA HOYLE jedenfalls beherrscht in ihrem Gesang nicht nur alle Höhen und Tiefen, die sie graziös trifft, sondern kann auch leidenschaftlich stöhnen oder hauchen.
Als sich 1968 AFFINITY gründeten, schien es eigentlich so, als hätte die Band eine große Zeit vor sich. Der eigene hohe Anspruch und das Jazz-affine gingen schon aus ihrem Bandnamen hervor, für den sie sich in Anlehnung an das gleichnamige, großartige Album „Affinity“ des kanadischen Jazz-Pianisten OSCAR PETERSON entschieden. Damit ist auch selbstverständlich, welch wichtige Rolle der Organist LYNTON NAIFF in dem britischen Quintett spielte. Und wenn man am Ende eines Albums auch noch das 65er BOB DYLAN-Hammerwerk „All Along The Watchtower“, welches 1968 durch die Version von JIMI HENDRIX in die Annalen der Musik-Geschichte einging, covert, bzw. in ein völlig neues Sound-Gewand kleidet, ist zugleich auch klar, dass der Gitarrist MIKE JOPP Hochleistungen an seinem Instrument vollbringen muss. Übrigens erinnert diese Version deutlich an MANFRED MANNS EARTHBAND zu Zeiten von „Solar Fire“!
Schon ein paar Live-Auftritte später erhielten AFFINITY von Vertigo Records einen Plattenvertrag. Alles schien bestens und 1970 erschien dieses hier besprochene Debüt-Album, das mit euphorischen Kritiken überhäuft wurde. Grund dafür war auch der zusätzlichen Einsatz von Bläsern, Flöten und Streichern, die „Affinity“ nicht etwa künstlich aufplusterten, sondern sich ganz in der Sache ihres progressiven, jazzigen, aber auch ruhigen Sounds einbrachten und natürlich der abschließende Longtrack „All Along The Watchtower“.
Sofort setzte man sich an das zweite Album, welches dann nie erscheinen sollte.
Aus welchem Grunde auch immer verließ Anfang 1971 LINDA HOYLE die Band und wurde so zur Totengräberin dieser begnadeten britischen Musik-Entdeckung. Denn ihr Gesang verlieh AFFINITY eben das Besondere, was neben dem auffälligen Orgel-Spiel zum Markenzeichen von AFFINITY geworden war. Als Naiff ihr kurz danach folgte, wurde der AFFINITY-Sargdeckel endgültig geschlossen.
Dank Repertoire-Records dürfen wir nun wieder das 46 Jahre alte Vinyl-Schätzchen von AFFINITY in den Händen halten und sofort, wenn wir es auf unseren Plattenspieler legen, feststellen, dass es eine unglaubliche Klangqualität hat. Das liegt daran, dass Repertoire bei vielen seiner Uralt-Wiederveröffentlichungen auf ein ganz spezielles, liebevolles Aufnahmeverfahren zurückgreift, indem es die Originale im „Half-Speed-Mastering“, mit halber Geschwindigkeit also, neu aufnimmt und damit Fehler des Originals beseitigt und den Klang grandios verbessert, wenn es die Aufnahmen wieder in normaler Geschwindigkeit auf 180-Gramm-Vinyl presst.
Eine wahres Stereo-Feuerwerk ungeahnten Ausmaßes!
Für dieses Remastering zeigte sich sogar das Abbey-Road-Studio verantwortlich, welches durch die BEATLES weltberühmt wurde.
Selbst wer diese rare Platte im Original besitzt, wird garantiert Ohren und Augen machen, wenn er diese Version hört, nachdem er sie aus der original nachempfundenen dicken Klapp-Papphülle und der weich gefütterten Innenhülle, die genauso gestaltet wurde, wie das runde Label, das auf der Platte pappt und beim Drehen die tollsten Bilder entfaltet, nimmt.
FAZIT: Repertoire macht‘s möglich und schenkt uns mit diesem Album von AFFINITY ein musikalisches Kleinod aus dem Jahr 1970, das beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Wer AFFINITYs Musik, die sich auf ihrem einzigen Album zwischen Jazz und Rock, Prog und Soul bewegt, allerdings auf dieser grandios remasterten LP hört, der wird sich fragen, wie so eine Band beinahe in Vergessenheit geraten konnte. Die Anschaffung von „Affinity“ lohnt selbst für die Vinyl-Freunde, welche das Album bereits im Original (So wie der Schreiber dieser Kritik!) besitzen!
PS: Wer jetzt neugierig geworden ist, der kann <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Vpbfc66w76s" rel="nofollow">hier das komplette Album</a> hören!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.06.2016
Mo Foster
Linda Hoyle
Mike Jopp
Lynton Naiff
Grant Serpell
Flöten, Bläser und Streicher
Repertoire Records
38:25
13.11.2015