Selbst die ansonsten eher für ihre wachsweichen Plattenkritiken bekannte Hifi-Zeitschrift AUDIO bezieht Stellung: „Im Pop Noir zählt derzeit nur ein Name: Andrea Schroeder“. Noir trifft es auf jeden Fall, aber den Pop-Begriff muss man ziemlich weit fassen. Hinaus über die dunkelsten Nischen, in denen Lana Del Rey oder Florence And The Machine ihren Nachtmahren erliegen. Dann könnte im Radio plötzlich „Void“ laufen, der große Song über das Auflösen, das Verschwinden, das Nichts.
Chris Eckman, der die exzellenten Vorgänger „Blackbird“ und „Where The Wild Oceans End“ gekonnt betreute, ist auf „Void“ nicht mehr dabei. Seine Nachfolge an Andrea Schroeders Seite treten Ulf Ivarsson (Sivert Höyem u.a.) und Jesper Lehmkuhl an. Es hat dem Album nicht zum Nachteil gereicht. Im Gegenteil.
Der Härtegrad wurde gesteigert, „Void“ ist kantiger, sperriger und offensiver als die Werke zuvor, ohne dass auf wahrhaft betörende und ergreifende Melodien verzichtet wurde. Gleich der Titelsong reißt Wunden mit seiner kargen Instrumentierung und der treibenden Rhythmik, ohne Angst vor Dissonanzen im Hintergrund. Und dann diese Stimme. Vergleiche mit Nico drängen sich auf (auch wegen des Harmoniums), doch Andrea Schroeder ist die flexiblere, variationsreichere Sängerin, die dort, wo Nico in Kälte und Finsternis driftete, einen mit Wärme umfängt. Und dann verschlingt. Das dunkle Timbre und der leicht teutonische, spröde Zungenschlag sorgen für einen besonderen Kick, der druckvolle Songs noch weiter nach vorne drängt, während kleine Lieder zur Nacht, wie das musikalisch anheimelnde, die Tür zum Atonalen allerdings offenhaltend, und textlich verstörende „Little Girl“, zum beklemmenden Lullabye werden.
Daneben gibt es eindrückliche Hymnen für die Reise ins Herz der Finsternis, durchaus zum Tanz geeignet, mit glühenden Schuhen. Der Titelsong gehört dazu, das krachende „Kingdom“ in dem es kräftig rumort, während „Creatures“ höchst energisch mit verführerischen Pianofiguren und einem aggressiven Gitarreneinsatz den Rockfaktor erhöht. Das Finale „Endless Sea“ schließlich ist eine letzte, mitreißende Woge. In Ergriffenheit sterben. Oder leben…
Andrea Schroeder und ihren Musikern gelingt die Balance zwischen Schönheit und Schrecken perfekt. Die Mischung aus Chanson, Rock, Pop ist kohärent, Blues und Jazz werfen langen Schatten. Andrea Schroeder entwickelt sich mit Geschick und Gespür weiter, ohne dass die vorigen Werke verblassen.
FAZIT: Ein Album ohne Ausfälle. Andrea Schroeder und ihrer Band gelingt auf „Void“ das Kunststück dunkelste Stunden zu sezieren und hinter all dem präsentierten Grauen, Schönheit und tiefe Sehnsucht sichtbar zu machen. Das intensivste, stimmigste und in weiten Teilen eindrucksvollste Album des laufenden Jahres. Die funkelnde Schönheit des Noir.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.08.2016
Dave Allen, Ulf Ivarsson
Andrea Schroeder
Jesper Lehmkuhl, Pelle Ossler, Ulf Ivarsson
Mike Strauss, Andrea Schroeder
Maurizio Vitale
Catherine Graindorge (violin, viola), Ulf Ivarsson (atmospheres), Kristof Hahn (lap steel guitar)
Glitterhouse
47:07
26.08.2016