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Beehoover: Primitive Powers

Stil: Drum ‘n‘ Bass & Stoner ‘n‘ Doom

Cover: Beehoover: Primitive Powers

Das Slam-Magazin nimmt mein FAZIT zu BEEHOOVER schon mal vorweg, indem es feststellt, dass die Band aus Esslingen das „brachialste Mini-Orchester der Welt“ sind und, ich ergänze hier mal, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=7JQ8KJJheZA" rel="nofollow">„Primitive Powers“ klingt wie ihre orchestrale Höllenscheibe</a>. Außerdem sollte man wohl noch hinzufügen, dass diese aus zwei dritteln Wahnsinn und einem Drittel musikalischer Leidenschaftlichkeit besteht. Wer sich auf die Esslinger einlässt, sollte unbedingt ähnliche Voraussetzungen - meinetwegen auch in einer anderen Drittel-Gewichtung - mitbringen und wird im Ergebnis große Freude an diesem Album haben, das man unbedingt in der Vinyl-Version besitzen sollte!

Schon die monströsen Freak-Gestalten des Covers und des LP-großen zweifaltigen Einlegers, egal, ob es ein Skelett ist, das über den Globus reitet oder eine Giraffe mit Wolfskopf oder Menschen, die offensichtlich Politiker sind und deren äußere Hüllen ausschließlich aus Totenköpfen bestehen, deuten die „brachialen“ Dimensionen hinter der „Primitive Power“-Musik an, welche zwischen Melodie und Krach sowie Elektronik und Akustik alles zu bieten hat. Wer BEEHOOVER hört, sollte nicht zu den zartbesaiteten Alltagsbiedermännern gehören, sondern zu denjenigen, die von einem unangepassten Fettnäpfchen ins nächste hüpfen und sich dabei einen feuchten Kehricht um diejenigen kümmern, die vorsichtig den Näpfen ausweichen und mit dem Finger auf den Hüpfer zeigen.

Besonders der oft verzerrt daherkommende Bass spielt eine riesige Rolle in der Musik von BEEHOOVER, die sich als Band tatsächlich nach der Figur einer obskuren englischen TV-Serie benannten, welche als Bohne verkleidet mit einem Staubsauger durch die Weltgeschichte saust. Darum ja nicht denken, hier kämen irgendwie Beethoven-verdächtige Klänge auf uns zu. Nein, es sind manchmal eher dumpfe Geräusche, die man nach dem übermäßigen Genuss von Bohnen erzeugt und die BEEHOOVER in sich einsaugt, um daraus regelrecht gelungene Klangstrukturen wieder aus unseren Boxen rauszulassen. Verblüffend, dass zum Erzeugen solch fetter Sounds tatsächlich eine Bass-Gitarre, Schlagzeug und jede Menge elektronisches Zusatz-Equipment ausreichen. Musikatmosphärisch dürfen wir dabei gar an TOOL denken und von der Verrücktheit her an PRIMUS.

„Pissant Wings“ eröffnet das Album mit einer bunten Mischung aus Hardcore, Punk und am Ende sogar Space und Psyche plus eine durch den Vocoder gejagte Sprechstimme. Metallisch geht‘s dann mit „Bombs & Bagpipes“ weiter, um kurz darauf mit „Millwheels Of Being“ in die Stoner-Rock-Ecke zu wechseln, die anfangs ruhig beginnt, aber zum Ende hin als beeindruckende Hardrock-Nummer endet. Abgeschlossen wird die LP-A-Seite mit dem schwer psychedelischen „Tickling The Dragon‘s Tail“.
Was sagt uns das?
Genau!
Kitzelt einen Drachen niemals am Schwanz, sonst könnte er verdammt böse werden, vorausgesetzt natürlich, er heißt nicht Tabaluga.

Völlige Verwunderung kommt am Anfang der B-Seite auf, die wie ein Ambient-Album mit Wellenrauschen und Möwen-Gekreisch beginnt (Jetzt könnte sogar die weise Schildkröte aus Tabaluga auftauchen!), was - Welch Wunder? - natürlich nicht lange anhält. „Embers“ rockt hart weiter und steigert sich in kurze Ekstasen, um dann wieder ruhig und melodiös zu werden. So geht es ständig hin und her, auch der Vocoder-Sprecher erscheint wieder, damit im „Anti Zooo“ ordentlich der Doom-Tiger rausgelassen werden darf und Erinnerungen an BLACK SABBATH weckt.
„Light My Pyre“ atmet wieder den psychedelischen Odem samt einer etwas gruseligen Steigerung, die dann durch Growls und Screams ausbricht, um auch instrumental deathmetallische Fahrt aufzunehmen, damit man beim letzten, mit knapp acht Minuten zugleich längsten Song, der die LP abschließt, ankommt. Mit „My Artillery“ ziehen BEEHOOVER in ihren letzten Musik-Krieg auf „Primitive Powers“ und hinerlassen nach den ersten zarten Annäherungsversuchen am Ende die krachende Brachial-Welt musikalisch verbrannten Bodens.
BEEHOVER gehen dabei als Sieger auf ganzer Linie hervor.
Mit einem „Ja!“-Schrei der Begeisterung endet das Album!
Dem kann man sich als Hörer ohne Bedenken anschließen!

FAZIT: Stoner Rock und Doom Metal treffen auf verzerrte Bässe, krachendes Schlagzeug, knallharten Gesang zwischen Flüstern und Schreien sowie elektronische Effektvielfalt voller überraschender Wendungen. Und das alles nur, weil BEEHOOVER konsequent ihr eigenes musikalisches Ziel verfolgen, das da lautet: „Wir wollen 50jährige mit unserer Musik erreichen, damit sie ihr Gerät anschmeißen und schreien: ‚Das ist verdammt genial!‘“ - Genie und Wahnsinn liegen mal wieder wie so oft verdammt nah beieinander.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.06.2016

Tracklist

  1. Seite A (20:02):
  2. Pissant Wings (4:41)
  3. Bombs & Bagpipes (6:17)
  4. Millwheels Of Being (6:31)
  5. Tickling The Dragon‘s Tail (2:33)
  6. Seite B (22:50):
  7. Embers (4:27)
  8. Anti Zooo (4:30)
  9. Light My Pyre (6:16)
  10. My Artillery (7:37)

Besetzung

  • Bass

    Ingmar Petersen

  • Gesang

    Ingmar Petersen, Claus-Peter Hamisch

  • Schlagzeug

    Claus-Peter Hamisch

Sonstiges

  • Label

    Unundeux / Cargo

  • Spieldauer

    42:52

  • Erscheinungsdatum

    26.02.2016

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