„... und so schreitet er die weite Straße entlang, in der Gewissheit, nur voran, aber niemals zurück zu seinen gekappten Wurzeln zu schauen. Er weiß, dass er niemals einsam sein wird, wahrscheinlich auch niemals bekannt. Dafür aber bleibt er immer in Bewegung und richtet seinen Schritt der untergehenden Sonne entgegen.“
Das ist die einzige (im Original englische) Botschaft, kombiniert mit einem Sonnenuntergangsbild, die uns beim Öffnen des Digipaks von „A Cycle Never Ending“ erwartet. Natürlich denkt man bei solchen Zeilen eher an ein Folk- oder Singer/Songwriter-Album. Doch was man beim Einlegen der CD präsentiert bekommt, ist vorrangig ruhiger Prog mit einer deutlichen Affinität in Richtung PINK FLOYD, PORCUPINE TREE und PINEAPPLE THIEF, ohne jedoch auch auf härtere Momente zu verzichten, welche immer wieder geschickt in die sehr melodielastigen Momente auf „A Cycle Never Ending“ einfließen.
Es gibt leider aber auch einen Haken an diesem Album, der gerade im modernen Prog immer wieder wahrzunehmen ist.
Gute kompositorische, progressive Ideen treffen auf eine schwache Produktion und schwachen Gesang. Es ist die ewige Crux vieler Prog-Rock-Musiker, die zugleich Bandleader sind, dass sie immer wieder glauben, auch singen zu müssen, weil sie neben dem Komponieren auch texten. Damit werten sie oftmals ihre gute Musik ab. Hierfür ist die aktuelle CD von BEN CAMERON, der Gitarrist und (leider) Sänger des BEN CAMERON PROJECT, der ganz offensichtlich große Sympathien für die Solo-Alben von DAVID GILMOUR hegt, das beste Beispiel.
Auch das Mixen und Mastern wäre wohl besser in den Händen eines erfahreneren Produzenten gelandet, als bei dem jungen, sehr ambitionierten Cameron, der zwar mit viel Leidenschaft, aber nicht dem wirklichen Know how zur Sache geht. Denn die Kompositionen, das Arrangement und das Können von ihm und seiner Band an den Instrumenten ist wirklich beeindruckend. Und selbst eine anfangs akustische Ballade wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=-ts0Ffaj8EE" rel="nofollow">„Colour In The Sky“</a>, die wiederum an einigen Gesangteilen krankt, verbreitet anfangs Gänsehaut-Feeling, um dann mit Orgel und E-Gitarre in härtere Prog-Gefilde abzuheben. Ein großartiger Song!
Das epische, fast 24 Minuten lange Titelstück mit ausgiebiger (leider deutlich zu schwach abgemischter) Cello-Einleitung macht seinem Namen alle Ehre. Ein Kreis, der sich schließt und niemals endet und in dem sich Akustisches und Bombastisches, Rockiges und Ruhiges, Minimalistisches und Ausuferndes sehr, sehr wohl fühlen. Sogar ein paar ANEKDOTEN-Erinnerungen kommen auf und CAMEL sind ebenfalls nicht weit. Cameron bewegt sich bei seinen meisterhaften Gitarren-Einlagen geschickt zwischen ANDY LATIMER und DAVID GILMOUR, während seine akustischen Ausflüge eine Howe-Hackett-Aura versprühen – nur seinen gesanglichen fehlt das Charisma.
Trotzdem schreitet man gerne mit der Musik von THE BEN CAMERON PROJECT jedem Sonnenuntergang entgegen.
Nur das Singen sollte man dabei einfach lassen oder deutlich minimieren.
Dann wäre der progressive Sonnenuntergang tatsächlich ein wahrer Genuss!
FAZIT: „A Cycle Never Ending“ ist ein progressives Achtungszeichen, das besonders Freunden neoprogressiver Klanglandschaften große Freude bereiten wird, besonders wenn sie auch immer wieder akustische Gitarren lieben. THE BEN CAMERON PROJECT beherrschen ihre Instrumente von der Pike auf und bringen ein ansprechendes Prog-Album zustande. Nur bei den Stimmbändern und der Produktion gibt‘s noch deutliche Reserven.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.09.2016
Peter Bakaja
Ben Cameron
Ben Cameron
Norbert Varga
Filippo Galli
Charlotte Jaffer (Cello)
Eigenvertrieb
48:48
07.09.2016