Da sind wir wieder. Hart und zart. Eine dunkle Sangeselfe und ihre instrumentenbewehrte Garde – die diesmal eher nach Hipstern aussehen, die sich im finsteren Wald verlaufen haben als nach krawalligen Orks auf bombastisch rockendem Kreuzzug. Jennifer Haben gebärdet sich dankbarerweise nie so als wäre sie nur aus Versehen in der Pop/Rock/Metal-Manege gelandet und gehöre eigentlich ins Opernhaus. So dankbar wir über das Brechen von Klischees sind, damit hat es sich auch schon.
Die Gitarren schmettern auf dem zweiten Album BEYOND BLACKs, wenn sie nicht für spanische Romantik sorgen („Forget My Name“), die Keyboards produzieren orchestrale Hymnen, Drums und Bass spielen jenen beschwingten Rhythmus, bei dem man mitzucken muss. Die Posen (nicht nur in den Videos) sind die altbekannten, gelegentlich wird der Klargesang Jennifer Habens durch nicht allzu anstößige Growls konterkariert. Damit sich die Zuhörer aber nicht zu sehr fürchten, werden als Gegenpol gefühlige Balladen eingebaut, getragen von Habens charmanter Stimme. Trotzdem schwer verträglich, diese Riesenportion Herzschmerz, ganz nah an der Reling der Titanic gebaut.
Textlich werden ganz große Geschütze aufgefahren, unterhalb der Ewigkeit, wundervollen Lügen, Du und Ich gegen die Welt, Edgar Allan Poes „Nevermore“, Dies Irae, Himmel und Hölle geht nichts. Natürlich in Blut geschrieben. Die lyrischen Kanonaden werden aber mit heißer Luft und Plattitüden abgefeuert. BEYOND THE BLACK machen keine Gefangenen, adoptieren sie lieber. Zwischen Volkslied, Mittelaltermarktbeschallung, keltischem Rock, hammerhart wiederholten Refrains, gepflegten solistischen Einlagen, Mitsingen beim Blümchenpflücken („Beautiful Lies“), rebellischem Händchenhalten im Mondenschein („Against The World“) wird für eine Menge Getöse am gedeckten Partytisch gesorgt.
Handwerklich ist das solide aufbereitet, klanglich und optisch ebenfalls, doch bietet die Musik kaum mehr als harmlosen Pop, etwas schneller gespielt, der vom Metal nur die Attitüde besitzt und wirkt, als wäre er am abgenutzten Reißbrett entwickelt worden. Da kann man mit dem Kopf zu nicken, die Füße wippen lassen, im Rund zu tanzen und zu fortgeschrittener Stunde beim Kirchweihfest schunkeln. Vor allem schunkeln.
FAZIT: Charisma-Bonuspunkte gibt es auf der Haben-Seite, ansonsten bietet „Lost In Forever“ vermutlich das größte Vergnügen, wenn man Helene Fischer- und/oder SANTIANO-Fan auf der Suche nach härterem Stoff ist, MetallerIn in der geschmacksverwirrten Endphase einer Schwangerschaft oder sehr, sehr tolerant gegenüber Ton gewordenen, schwülstigen Event-Movies.
Punkte: 5/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.02.2016
Erwin Schmidt
Jennifer Haben, Christopher Hummels
Christopher Hummels, Niels Lesser
Michael Hauser
Tobias Derer
We Love Music/Universal Music
59:08
12.02.2016