Classic Rock die Zigste? Jawohl, aber die Melbourner CHILD gewinnen der alten Tante eine eigentlich offensichtliche, aber zu selten bemühte Facette ab, indem sie so starke Blues-Bezüge wie nur wenige andere Gruppen, vor allem einen dezidierten Willen zu ausufernden Improvisationen an den Tag legen.
Dementsprechend lang fallen die fünf Stücke dieses zweiten Albums der Musiker aus, doch verblüffenderweise wirkt es in als Gesamterfahrung außerordentlich kompakt, was wohl auch am Gesang liegt, denn die wortreiche Texte von Frontmann Mathias sind echte Hinhörer. Dabei gestalt sich der Beginn noch ungewöhnlich sachte mit 'Nailed To The Ceiling' …
'It's Cruel To Be Kind' ist dann ein heavy Schleicher zum In-die-Knie-gehen und klingt extrem live, also unmittelbar, was sich auf die ganze Swcheibe beziehen lässt und ihren zusätzlichen Reiz ausmacht, vor allem in Anbetracht der riesigen Konkurrenz auf diesem stilistischen Feld. Demgemäß versuchen die Leute im Hintergrund auch, CHILD dadurch originell darzustellen, dass sie von Doom-Blues sprechen, aber das ist selbst im Vergleich zur Ursuppe jenes Genres (PENTAGRAM, BLUE CHEER) relativ weit hergeholt.
Sei es drum: 'Blue Side Of The Collar' erklärt das Selbstverständnis des Trios in weiten Teilen zumindest ideell, wenngleich es musikalisch bereits alles gesagt hat, nachdem die Hälfte der Spielzeit vorüber ist. Dies heißt andererseits nicht, dass "Blueside von nun an langweilig würde. 'Dirty Woman' entwickelt sich trotz achtminütiger Dauer zum Vorzeigetrack der Scheibe, weil es durch den zeitweilig gedoppelten Gesang besonders eindringlich ist.
'The Man' als Finale schlägt mit fast zwölf Minuten zu Buche, aber keinem Fass den Boden aus, weil es einer nachvollziehbaren Spannungskurve folgt. Die Riffs schrauben sich zum Ende hin so weit in Doom-Sphären vor wie nie. Vielleicht hat die Promo-Abteilung am Ende also doch recht, aber in jedem Fall gilt:
FAZIT: CHILDs "Blueside" ist ein unerwarteter Farbtupfer im Trad-Rock-Geschehen des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts. Hits werden die Australier vermutlich nie schreiben, aber das versuchen ohnehin schon zu viele Bands aus diesem Bereich mit mehr oder weniger Erfolg, richtig?
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.12.2016
Danny Smith
Mathias Northway
Mathias Northway
Michael Lowe
Kozmik Artifactz
39:29
02.12.2016