Dave Kerzner ist einer jener Musiker, die es verstehen aus wenig nicht unbedingt viel, dafür aber mehr zu machen. Nach seinem (vorläufigen) Ausstieg bei SOUND OF CONTACT erschien 2014 das Album „New World“, gefolgt von einer „Extended Edition“ auf zwei Silberlingen ein Jahr später. Immerhin wurde nicht einfach das Original plus Bonus-CD nachgeschoben, sondern eine überarbeitete Wiederveröffentlichung, quasi das Äquivalent zu einem Director‘s Cut.
Doch flugs wird noch einer draufgesetzt und eine Live-Version erstellt, bei der das Debüt nahezu identisch nachgespielt wird. Viel mehr Material existiert auch nicht. Oder doch? Hmm, ein paar Songs sind irgendwann übrig geblieben, Coverversionen kann Kerzner ebenfalls, ergänzt um ein SOUND OF CONTACT-Medley und fertig ist die halbstündige Bonus-CD. Kurzerhand wird das Live-Album ein weiteres Mal als Doppeldecker veröffentlicht.
Ein kurzer Off Topic-Ausflug in die Historie: Die BEATLES veröffentlichen das „Weiße Album“. Ein halbes Jahr drauf erscheint das erweiterte „Weißere Album“. Kurz nach Auflösung der Band bringt die Plattenfirma das „Weißeste Album“ heraus. Natürlich taucht ein Live-Mitschnitt auf und so gibt es zur Krönung das „Weißer geht nicht“-Live-Produkt. Jahrzehnte später wird die Kuh erneut erneut gemolken, mit der allumfassenden Sammler-Edition, nur echt mit einem weißen Licht am Ende des Tunnels als Gimmick. Fürs Erste. Zurück zu Dave Kerzner in die Gegenwart.
Die Gästeschar aus dem Studio, u.a. Steve Hackett, Francis Dunnery und Keith Emerson, fehlt natürlich auf dem Live-Output, doch Kerzner hat fähige Begleiter gefunden, die „New World“ nahezu deckungsgleich auf der Bühne umsetzen. Das klingt gut, ist etwas druckvoller, was dem Werk gut tut, aber divergiert halt nicht allzu sehr vom Ursprungsmaterial. Zu dem Kollege Koss einige treffende Kritikpunkte in seiner etwas <a href="http://musikreviews.de/reviews/2015/Dave-Kerzner/New-World/" rel="nofollow">harschen Rezension</a> beigesteuert hat. Ich gehe eher konform mit seinem milder gestimmten Kommentatoren Gelatti, der das so heimelige wie freundliche Album kurz mit „"Im Westen nichts Neues"... Wer auf PF-Klone steht, wird hier gut bedient“ umschrieb. Ein bisschen Respekt hat sich Kerzner zudem dafür verdient, dass er neben PINK FLOYD auch GENESIS hofiert (nein, nicht bloß dafür), und zwar die Ray Wilson-Phase, als es „Calling All Stations“ hieß, aber nur Wenige hinhörten. DAS bringt sonst wohl kaum eine Klon-/Hommmage-/Cover-Band.
Ist die CD mit der Live-Performance eine gestraffte und damit zwingendere „New World“-Variante, kommt die Bonus-CD mit gemischtem Material daher. Neben zwei neuen, im Studio aufgenommenen Songs, die sich nahtlos an die schwärmerische, wenig spektakuläre „New World“-Session anschließen, präsentiert Kerzner eine weichgespülte Cover-Version des EMERSON, LAKE & PALMER-Klassikers „Lucky Man“, eine nahezu originalgetreue „Great Gig in The Sky“-Interpretation (Stand Gilmours PINK FLOYD Mitte der neunziger) sowie ein munteres, naja halbmunteres, SOUND OF CONTACT-Potpourri. Wie gehabt ist das alles nett anzuhören, ein bisschen sentimental, mit etwas mehr Schwung beim SOC-Komplex. Insgesamt jene Art Musik, die der Deichgraf beim Spaziergang in der lauen Abendluft mittels Kopfhörern konsumiert.
FAZIT: Mit „New World – Live“ bietet Dave Kerzner wieder Prog der gemütvollen Art. Den altbekannten Vorbildern huldigend wird Kerzners Erstlingswerk auf der Bühne solide dargereicht und ansprechend konserviert. Klanglich und handwerklich gibt es nix zu meckern, wer Spaß an glänzend gepflegtem Müßiggang hat, bekommt ein Rundum-sorglos-Paket spendiert.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.12.2016
Stuart Fletcher, Randy McStine, Matt Dorsey
Dave Kerzner, Fernando Perdomo, Durga McBroom, Lorelei McBroom, Matt Dorsey
Dave Kerzner, Fernando Perdomo, Randy McStine, Matt Dorsey
Dave Kerzner, Matt Dorsey
Derek Cintron, Alex Cromarty
Sonic Reality/Just for Kicks Music
CD1: 77:34 / CD2: 31:15
28.10.2016