Die selbstbetitelte „Literaturpäpstin“ Karla Paul nannte sich kürzlich selbst „Hybrid-Leserin“, FEWJAR bezeichnen ihre Musik als „Hyprid-Pop“ und kreieren das Etikett „Poly Genre“. Früher hieß die Crossover und bezog sich meist auf Metalmixturen, die in verschiedenen Bereichen wilderten. Doch die mit dem Internet großgewordene Generation drechselt halt gerne neue Begrifflichkeiten, und wie kommen schon klar damit.
FEWJAR sind ein Geschöpf der sozialen Netzwerke, veröffentlichen ihre Songs und Videos unter anderem bei Youtube, spielen das erste Album quasi als Geschenke-Gag ein und präsentieren sich erst peu a peu als reales Projekt, reale Band. „Until“ ist die dritte Veröffentlichung des Berliner Duos Jakob Joiko und Felix Denzer plus Mitstreiter und belegt eindrucksvoll, dass nicht alles, was aus den sozialen Netzwerken kommt hirnverbrennender Loch(i)fraß ist, der sich nur im Glanz der eigenen Veräußerung selbst blendet.
Ganz so neu ist die Musik, die FEWJAR spielen nicht, ein interessanter, hörenswerter und weitgehend gelungener Genremix ist trotzdem dabei herausgekommen. Stellt euch vor, ARCHIVE tun so als wären sie die PET SHOP BOYS, bändeln gelegentlich mit MOBY und DEPECHE MODE an und gehen in den merkantilsten Momenten mit EMPIRE OF THE SUN oder POLARKREIS 18 (bloß besser) fremd („lo“). Dabei haben sie keine Angst vor schräger Progressivität („a bleakbox of insights“) und spielen auch als versierte Lagerfeuerromantiker – mit eigenem Stromgenerator – eine formidable Rolle („indigo“).
Diese Gratwanderung zwischen Triphop, Ambient, lindem Indie Rock und Art Pop gelingt, weil FEWJAR überzeugende Songwriter sind, Jakob Joiko und Felix Denzer halten die Waage zwischen Pop-Gestus, inhaltlicher Tiefe und kleinen Experimenten auf eindrückliche Weise. Dabei bleibt die Atmosphäre verhalten nachtschattig, angenehm entspannt, verfällt weder in pathetisches Wehklagen, noch in belanglose Fahrstuhlmeditation. Mit Ecken und Kanten an den passenden Stellen und verdammt viel Gefühl zur rechten Zeit.
FAZIT: FEWJA zeigen, dass es auf Youtube eine andere, schönere und sinnigere Welt gibt als die von Bibis Beauty Palace und Konsorten. Als Internet-Phänomen gestartet, hat sich das Berliner Duo einem gehaltvollen Dream Pop verschrieben, der sich zwischen Chill Out-Ambient, Art Pop und intellektueller Disco-Mucke äußerst wohlfühlt und emotionale wie tanzbare Songs gestaltet.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2016
Jakob Joiko, Felix Denzer, Marti Fischer, Michael Schulte, Camilla Fascina, Andre Moghimi
Jakob Joiko, Michael Schulte, Camilla Fascina
Felix Denzer, Andre Moghimi
S.M.I.L.E. /Soulfood
48:31
11.11.2016