„One Step Forward, Two Steps Back“ heißt der sechste Titel dieses Albums von FLORENCE JOELLE. Diese Einen-Schritt-vor-zwei-Schritt-zurück-Weisheit trifft voll und ganz auch für „Life Is Beautiful If You Let It“ zu.
Die in Paris geborene und London lebende Musikerin scheint auf jeden Fall aus musikalischer Sicht in einer völlig anderen Zeit zu leben. In der Zeit, als der Jazz auch für Sängerinnen immer interessanter wurde und als eine WANDA JACKSON mit ihren Balladen Weltruhm erlangte. Aber auch als sich Latin und Blues noch um ihre Wurzeln kümmerten und der Rock‘N‘Roll in den Fünfzigern sich gerade die Kinderschuhe überstreifte. Damals waren die ersten schwarzen Schellack- und Vinyl-Scheiben nicht nur schwarz wie die nacht, sondern auch sehr kurz und in Mono aufgenommen.
Was allerdings anno 2016 eine Musikerin reitet, ihre CD (!) ebenfalls in Mono aufzunehmen und mit gerade mal 33 Minuten Musik zu füllen, ist wohl ihr Geheimnis. Solche Retro-Ideen sind eher ärgerlich als förderlich für die Bewahrung von Musik, welche für die meisten von uns weit in der Vergangenheit liegt und für viele moderne Zeitgenossen dort auch liegen bleiben kann. Aber wahrscheinlich sollte so eine spezielle Form von Authentizität erreicht werden.
„Das Leben ist wundervoll, Baby. Aber du musst es zulassen“, diese Worte pflegte der namhafte Jazz-Sänger JIMMY SCOTT öfters zu FLORENCE JOELLE zu sagen. Weise Worte, die für ihren aktuellen Album-Titel reichten. Als Scott dann 2014 starb, schrieb sie diesen Song für ihn oder im Grunde alle Songs auf ihrem am deutlichsten vom akustischen Jazz beeinflussten Album. Aber auch auf den drei gecoverten Songs, allesamt in Französisch gesungen, geht Joelle mit ihrer warmen Ausnahmestimme weit in die Vergangenheit der 30er- und 40er-Jahre zurück.
So schreibt die „Aachener Zeitung“ auch: „Eine charmante Platte!“, die „locker und leicht rüberkommt und garantiert nicht schwer im Magen liegt“, vorausgesetzt natürlich, man steht auf Bar-Jazz, der auch noch im Mono-Ton, aber trotzdem ausgezeichnetem, kristallklarem Sound rüberkommt. Und die Musiker, welche das Stimmwunder FLORENCE JOELLE begleiten, haben Jazz und Blues sowieso im Blut, wobei besonders reizvoll die Mundharmonika und die Flöte sind, welche oftmals überraschend in den Songs auftauchen und ihnen eine andere Klangfarbe verleihen. Aber auch die fette E-Orgel auf „Angel‘s Child“ und „Two And Two Don‘t Make Five“, die an BOOKER T. & THE M.G.‘s erinnert, oder die Posaune auf „Here Comes The Lady“ sorgen dafür, dass keine Eintönigkeit oder Langeweile aufkommt.
FAZIT: Das Album beginnt mit einem Midtempo-Jazz-Song, den die Musikerin ihrem Vater Angel Marcel widmet und endet mit einem ebenfalls im Midtempo vorgetragenen Swing-Stück. Dazwischen gibt‘s viel zu entdecken, was sich mal flotter, aber zugleich immer fest verwurzelt im Jazz, Swing, Blues oder Latin bzw. ruhigem Rock‘N‘Roll bewegt. Retro ohne jeglichen Kompromiss, auch wenn man gerne in punkto Laufzeit und Stereo-Ton hätte Kompromisse eingehen können.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.08.2016
Ian Marcus
Florence Joelle
Thierry Courault
Rory More
Matt Jackson
Florence Joelle (Harmonica), Ian Marcus (Klarinette), James Lawrence (Posaune)
Ace Records / Soulfood
33:09
19.08.2016