Der Begriff Kultband ist stark überstrapaziert, aber bei GEHENNAH fällt es einem schwer, ihn nicht zu benutzen. Klar, Leuten, die auf den Stil der Schweden so gar nicht können, wird sich das beim besten Willen nicht erschließen, aber die Größe der Fanbase im Underground ist nicht von der Hand zu weisen. Und die ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass es vor Veröffentlichung des vorliegenden Werks nur drei Full-length-Alben gegeben hat - und diese liegen 19 bis 21 Jahre zurück. Doch klingen GEHENNAH im Jahre 2016 anders?
Die Antwort lautet: Natürlich nicht. Nicht wirklich zumindest. Auch weiterhin heißen die offensichtlichen Einflüsse VENOM, MOTÖRHEAD und GG ALLIN, die Info der Plattenfirma spricht zudem von BATHORY. Man kann sich also auch als Unbewanderter sehr genau ausmalen, was einen auf "Too Loud to Live, Too Drunk to Die" erwartet (als wäre der Albumtitel nicht Hinweis genug). Weiterhin wird verhältnismäßig schnelles Gerumpel zwischen den angesprochenen Polen inklusive der obligatorischen Suff- und Prügel-Lyrics geboten. Wer darauf nicht steht, wird auch mit dem vorliegenden Album keinen, aber so gar keinen Spaß haben. Auch dank der eingangs aufgestellten Kult-These stellt sich also beinahe die Frage, wem dieses Review nützen soll, denn wer auf die schwedische Rüpelband steht, hätte sich das Teil hier so oder so ins Regal gestellt. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass, auch dank inzwischen enorm erfolgreicher (und eben vergleichbarer) Bands wie MIDNIGHT (welche von GEHENNAH nach Meinung des Rezensenten oftmals rechts überholt werden), potentielle Neu-Interessenten für GEHENNAH bereitstehen, die womöglich mit Alben wie "Hardrocker" und "Decibel Rebel" nicht vertraut sind.
Für diejenigen allerdings, die vielleicht bereits etwas Vorwissen besitzen: GEHENNAH präsentieren sich auf dem neuen Album tatsächlich phasenweise melodischer. Natürlich wird es zu keinem Zeitpunkt irgendwie filigran oder gar kommerziell, aber Stücke wie "Scumbag" oder "Gehennah Will Destroy Your Life" warten mit einigen überraschenden Leads auf, die dem ganzen eine neue (wenn auch nicht innovative) Note verpassen. Andererseits könnten Highlights wie der Titelsong oder "'Cause We're a Street Metal Band" auch genau so gut auf den 90er-Alben stehen. Das geht allerdings in manchen Fällen ("Let's Fall off the Wagon") sogar so weit, dass die Riffs hier und da doch etwas ZU frappierend an ältere Hits wie "Decibel Rebel" oder "Piss Off I'm Drinking" erinnern. Im Großen und Ganzen fällt das aber wirklich nicht negativ auf, denn dafür macht das Album schlicht viel zu viel Bock. Dennoch muss festgehalten werden, dass sich in der zweiten Albumhälfte doch ein, zwei etwas verzichtbarere Songs eingeschlichen haben. Aber auch das ist für Freunde der Band sicherlich verzeihlich und zwar erneut aus dem gleichen simplen Beweggrund: Insgesamt mach "Too Loud to Live, Too Drunk to Die" einfach zu viel Spaß.
FAZIT: Die Zielgruppe ist so klar abgesteckt wie die Einflüsse der Band. Für Schöngeister ist die Band weiterhin völlig irrelevant, aber das wollen die Herren mit Sicherheit auch gar nicht anders haben. Für Fans der angesprochenen Einflüsse, die mit GEHENNAH bisher unvertraut waren, gilt allerdings eine klare Reinhörempfehlung, die durch den angemessen dreckigen Sound übrigens noch verstärkt wird. Euch könnte sonst wirklich eine wahnsinnig kurzweilige Scheibe entgehen. Und langjährige GEHENNAH-Supporter haben das Ding vermutlich eh schon im Regal. Decibel Rebels comin' for you - again!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.03.2016
Charley Knuckleduster
Mr. Violence
Rob Stringburner
Hellcop
Metal Blade Records
36:41
12.02.2016