Depart with haste for the hills! Denn aus den Tiefen des Alls nahet sich eine gräuliche Maschinerie mit Fangarmen und bösen roten Augen… Im Ernst: Was soll denn das? Mit diesem Cover fängt man sicher keine Gelegenheitskäufer im CD-Laden. Aber vielleicht ist die Mischung aus augenzerfetzender Optik und unterirdisch animiertem Musikvideo einfach eine Hommage, ein Erinnern an frühere Tage, als Bruce Dickinson noch lange Haare hatte, Axl Rose noch nicht dick war, Musik noch von LPs und MCs gehört wurde und sich die Produzenten von Heavy Metal und Hardrock vom Low-End des Klangspektrums noch entschieden fern hielten.
Die Musiker, die sich in München unter dem Namen GLORY DAZE zusammengefunden haben, haben diese Zeiten mit Sicherheit erlebt – ich nicht. Und so mag es mir verziehen sein, wenn ich dem, was die Herren da fabrizieren, nicht das vielleicht nötige Verständnis entgegen bringen kann.
Das Album erinnert an eine der unzähligen Hardrock-Compilations, die im 3-CD-Format in den Regalen der Eltern der Bravo-Hits-Generation Staub ansetzen. Nur dass es hier eben zehn neue Songs sind – wobei, eigentlich nicht. Ob einem das Gefühl, dass man oft sehr genau voraussagen kann, welcher Akkord auf den nächsten folgen wird, dass man manchmal murmelt, „das kenn ich doch!“, jetzt gefällt oder sauer aufstößt, muss jeder selbst entscheiden, gesagt ist es hiermit.
Als Vorbilder nennen GLORY DAZE u.a. IRON MAIDEN und JUDAS PRIEST und gerade erstere sind in der Gitarren- und Gesangsarbeit deutlich spürbar. Denn während man sich bei den „gewöhnlichen“ Songbausteinen (Strophen, Refrain) oft an die alten Radio-Hardrock-Hits erinnert fühlt, die manchmal, zumindest für meine Ohren, fast übertrieben gemütlich dargeboten und häufig unnötig oft wiederholt werden, was viele der Songs (bestenfalls erst) zum Ende hin recht langatmig werden lässt, während man also Bekanntes auf bekannte Weise gruppiert, reißen die Gitarrensoli viele der Songs noch einmal herum, impfen ihnen eine gehörige Dosis Drama und erinnerungswürdige Melodien ein, die auch Sänger Many Stürner, der mit AVALON auch international erfolgreich war, so nicht vermitteln kann. Ob man ihn nun als den „DIO von Moosach [bei München]“ bezeichnet oder nicht, das, was er sich da streckenweise von den Stimmlippen fidelt, hat zwar sichtlich das Ziel, in solch astronomische Höhen wie Bruce Dickinson oder Rob Halford vorzustoßen, das Resultat klingt leider immer wieder eher fragwürdig.
Nach dem beschriebenen Schema fabrizieren GLORY DAZE einige unterhaltsame Songs, an denen es nicht mehr als das bereits Erwähnte auszusetzen gibt. Der Titeltrack „Octavirus“ ist jedoch ein qualitativer Tiefpunkt: Man hat das Gefühl, dass das, was da mit einer abenteuerlichen Art Sprechgesang auf einer monoton rumpelnden Bassline anfängt, ein progressiver Longtrack hätte werden sollen, tatsächlich dümpelt der Song ziellos und behäbig durch die Gegend und ihn auf unnatürliche acht Minuten aufzublasen war absolut keine gute Idee.
Doch man erlebt auch Momente, in denen die Münchner durchaus mitreißend sein können, so z.B. „Point Of No Return“, „Icarus“ oder „Tales Of Mystery“, auch wenn letzteres mit einem ziemlich übertrieben präsentierten Edgar Allan Poe-Zitat garniert ist. Hier merkt man, dass hier abgehangene Musiker am Werk sind, die (eigentlich) wissen, wie man Songs schreibt, die funktionieren.
FAZIT: GLORY DAZE orientieren sich an der Vergangenheit, an den großen Hardrock-Helden der 80er. Das betrifft nicht nur die Musik, sondern auch die Produktion (ob gewollt oder nicht) und die visuelle Umsetzung. Leider kann man vielen ihrer Songs, auch wenn man den Gesichtspunkt fehlender Innovation ausklammert, nur ein eher durchwachsenes Zeugnis ausstellen: Diese sind oft absehbar, aber übermäßig aufgebläht und entbehren in ihrer starken Anlehnung an Vorbilder bisweilen wirklicher künstlerischer Eigenständigkeit.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.12.2016
Tscharlie Schütz
Many Stürner
Steve Wendlandt, Harry Krause
Andi Angerer
DIY
58:44
22.10.2016