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Helloween: Chameleon (Vinyl-Re-Release)

Stil: Hard Rock / Heavy Metal

Cover: Helloween: Chameleon (Vinyl-Re-Release)

Die zweite von zunächst einmal drei Vinyl-Wiederveröffentlichung aus dem Hause Noise über den neuen Vertrieb BMG, nachdem die Rechte an der Musik wieder dort landeten, wo sie hingehören - bei den Künstlern: Was "Cold Lake" für CELTIC FROST wurde, war "Chameleon" bei HELLOWEEN - ein Offenbarungseid, die vermutlich gern ungeschehen gemachte Platte (zumindest für Teile der Band? Mal nachhaken …) und das Ende einer Gruppe, wie man sie bis dahin kannte, in mehrfacher Hinsicht. Personell wurde hinterher ebenso umstrukturiert, wie eine stilistische Neuausrichtung stattfinden sollte, aber der Reihe nach …

Der Ruf des mit lieblosem Artwork versehenen Albums ist wohlgemerkt schlechter als sein tatsächlicher Inhalt, denn trotz einiger Rohrkrepierer markiert "Chameleon" allenthalben eine Verweichlichung, aber keinen Stilbruch, und die Beteiligten zocken zumindest handwerklich weiterhin in Bestform, bloß eben arg zahm und darob bis zu einem gewissen Grad unglaubwürdig. AOR-Lippenbekenntnisse wollte und will man von den Hanseaten ebenso wenig hören wie Prog-Rock-Ambitionen, die im Sande verliefen und obendrein bei der spießigen Pomp-Fraktion des Genres entlehnt wurden, nicht jedoch den Pionierjahren während der 1970er. Sei's drum, man muss die Scheibe heute nehmen wie sie ist, und fangen wir mit den Schattenseiten an …

Dass die Mitglieder erstmals offensichtlich voneinander abgeschottet an den Songs arbeiteten, deutet auf den Scheideweg hin, vor dem sie intern standen. Die Drogensucht und Depressionen/Schizophrenie von Schlagzeuger Ingo Schwichtenberg bedingte im Anschluss an die Produktion, dass er auf Tournee 1993 durch Ritchie Abdel-Nabi (übrigens u.a. von DAS AUGE GOTTES) ersetzt wurde und schlussendlich Suizid beging. Das hört man "Chameleon" ebenso wenig an wie Sänger Kiskes Stimmbandprobleme (fatalerweise auf Tournee akut, und HELLOWEEN werden im Anschluss daran sicherlich nicht nur wegen des enttäuschenden Albums sowie seines Ausstiegs von der EMI geschasst), doch ganz latent zeigt die Scheibe, wie orientierungslos die Komponisten waren. Man kokettierte mit Country, jazzigen Licks, Kinderchor, Streichern und Syntesizer-Kitsch, wobei die eigentlichen Hooks auf der Strecke blieben.

Die Auskopplungen 'When The Sinner', 'I Don’t Wanna Cry No More' und 'Windmill' ('Step Out Of Hell' war nur in Japan Single) laufen noch am leichtesten in die Gehörgänge, und sucht man Perlen im Schlamm, wir man nur schwerlich fündig. Selbst Roland Grapow, der nach Hansens Ausstieg einige Kastanien auf "Pink Bubbles …" aus dem Feuer holte, war in erstaunlich schlechter Schreibform, wie seine vier Nummern 'I Don’t Wanna Cry No More', 'Crazy Cat', 'Music', und 'Step Out Of Hell' belegen. Kiske wiederum gibt mit 'I Believe', 'Longing', 'In The Night' und 'When The Sinner' wohl unbewusst Ausblicke auf seine baldige Solokarriere ("Instant Clarity" wird mitte der 90er richtig gut, über einige Projekte danach hüllt man unabhängig von seiner Goldkehle lieber den Mantel des Schweigens). Sein Hang zum Pop schlägt der Fregatte endgültig den Deckboden aus, aber das Team ist kollektiv schuld daran …

FAZIT: … dass "Chameleon" den Karrieretiefpunkt von HELLOWEEN markierte. Die Vinyl-Neuauflage ist 180g schwer und wertig verpackt, wobei selbstverständlich Boni fehlen, die im Rahmen von CD-Re-releases enthalten waren (Single-B-Seiten, etc.), aber nicht weiter erheblich sind. Die Scheibe steht und fällt mit ihrer Bewertung im Bandkontext, wiewohl es sich nie und nimmer um beschissene Musik handelt. Mainstream-Liebäugelei brauchte damals bloß kein Schwein von den bisherigen Darlings des deutschen Metal.

Punkte: 7/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.11.2016

Tracklist

  1. First Time
  2. When The Sinner
  3. I Don’t Wanna Cry No More
  4. Crazy Cat
  5. Giants
  6. Windmill
  7. Revolution Now
  8. In The Night
  9. Music
  10. Step Out Of Hell
  11. I Believe
  12. Longing

Besetzung

  • Bass

    Markus Großkopf

  • Gesang

    Michael Kiske

  • Gitarre

    Michael Weikath, Roland Grapow

  • Schlagzeug

    Ingo Schwichtenberg

Sonstiges

  • Label

    BMG / Rough Trade

  • Spieldauer

    71:26

  • Erscheinungsdatum

    04.11.2016

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