IHRE MOTIVE ist ein rätselhafter Name, der erst einmal durchgeistigten Diskurspop erwarten (beziehungsweise eher befürchten) lässt und das Cover trägt seinen Anteil dazu bei. Dankenswerterweise stellt sich beim Hören von <a href="https://www.youtube.com/watch?v=PAfLOqLKTR4&feature=youtu.be" rel="nofollow">„Oben bleiben“</a> jedoch schnell heraus, dass hier doch ehrlicher, geradliniger Punkrock geboten wird. Diese Musik ist im Jahr 2016 der „Drei Akkorde-A.C.A.B. –Deutschland verrecke!“-Phase lange entwachsen und, wie der Erfolg von den BROILERS oder FEINE SAHNE FISCHFILET zeigt, durchaus in dem Mainstream angekommen, den er einmal bekämpft hat. Sie sind eben <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Xbe8Y9-DHts" rel="nofollow">„Einer von euch“</a>. Aber wie schon klügere Menschen als ich festgestellt haben, liegt das Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus ja genau darin, widerständige Strömungen weichzuklopfen und der Verwertbarkeit anheim zu führen.
Zur Musik: IHRE MOTIVE spielen radiotauglichen Punkrock, bei dem immer mal wieder DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN durchscheinen – allerdings ohne den Witz der einen oder das Charisma der anderen aufbieten zu können. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, denn es wäre unfair, das Debüt-Album einer Band an Szenegrößen zu messen, die sich diesen Status über Jahre hinweg erarbeitet haben.
Beim Hören der Texte wird deutlich, dass hier aufgeweckte Zeitgenossen mit der Fähigkeit zur Gegenwartsdiagnose am Werk sind. So üben sie einerseits wie im Song „Erso“ Gesellschaftskritik, die sich am Materialismus und dem sich immer schneller beschleunigendem Konsum (denn irgendwo muss das allein seligmachende Wachstum ja herkommen) abarbeitet, sehen andererseits aber auch die kulturelle Zukunftslosigkeit einer Gesellschaft, die sich in Remakes und Nostalgie ergeht („Reste von gestern“) und schon lange keine Vision mehr hat, die darüber hinausgeht, den Rubel so lange wie möglich rollen zu lassen. Solche Kritik wird zumeist kämpferisch vorgetragen und in eingängigen Refrains formuliert.
Im starken Song „Seifenblase“ erfolgt außerdem ein dezenter Einsatz elektronischer Komponenten, was zumindest leicht an KRAFTKLUB erinnert.
Stellenweise klingt die Musik allerdings nach feinfühligem Betroffenheits-Pop, wie er in Deutschland gerade en vogue ist. Glücklicherweise sind die Stellen nur sehr selten – so im Titel-Track und bei „Angekommen“. Zum allergrößten Teil gibt es aber sehr beschwingte Lieder zu hören, die inhaltlich zwischen Zerstörungswut und Beziehungsproblem ein breites Spektrum umreißen.
Die Bandmitglieder haben überwiegend bereits Erfahrungen im Musikbusiness gesammelt und das ist der Platte auch anzumerken. Dafür, dass es sich hier um ein Debüt handelt, wirkt das schon alles sehr professionell und abgeklärt. Den Charme des Unperfekten, wie ihn Erstlinge – gerade im Punk - sonst bisweilen versprühen, sucht man hier vergeblich. Was man bei IHRE MOTIVE jedoch bekommt, ist ein gelungenes Album, das es verdient hat, gehört zu werden. Dass sie dabei trotz aller Kritik an der Gesellschaft immer mal wieder Richtung Kommerz schielen, ist eine Dialektik, welche die Populärmusik schon lange begleitet und die eigentlich kaum aufgelöst werden kann.
FAZIT: „Oben bleiben“ geht eigentlich nur, wenn man dort oben erstmal angekommen ist. IHRE MOTIVE schlagen mit ihrem Debüt-Album einen vielversprechenden Weg ein, der sie sicher nach oben führen kann. Wünschenswert wäre es, dass sie dabei den hier noch sehr präsenten Punk-Einschlag beibehalten.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2016
Steff
Thamos, Sebastian
Michael
Alex
MetalSpiesser
43:01
11.11.2016