Aus dem sonnigen Sydney kommen die beiden Typen hinter JAGWAR MA, und trotz des grau-tristen Covers und des Albumtitels, der an PLACEBOs „Every you every me“ denken lässt, ist die Musik, die das Duo auf seinem zweiten Longplayer darbietet, meilenweit von grauen Regentagen oder Teenangst entfernt.
Wer sich Live-Auftritte der Band zu Gemüte führt, der sieht Synthesizerist Jono Ma umgeben von monströsen Apparaturen, die so kompliziert aussehen, als könnte man damit ein Raumschiff fliegen. Irgendwie schaffen es ein paar Töne, von seinem Keyboard über die gefühlt 1000 Effektpedale, die Lautsprecher zu erreichen, und was letztendlich als die musikalische Untermalung für Gabriel Winterfields Gesang herauskommt, klingt erstens erstaunlich warm und natürlich und zweitens weniger außergewöhnlich, als man vielleicht ob des ganzen Equipments erwarten würde.
Oft sind es verhallte, wabernde Soundflächen, die sich nicht vor Retro-Anleihen fürchten, auf denen Winterfields Gesang, der oft eher ein melodisches Sprechen ist und häufig ebenfalls in Delay, Reverb und Co. beinahe ersäuft, bisweilen scheinbar ziellos herum geistert.
Insgesamt haftet den Songs eine verschroben leuchtende Lebenslust an, man hat den Eindruck, dass auch der Gesang nicht primär die Übermittlung von Texten, sondern von Feeling zum Ziel hat: „You warm me up, you wore me down, I get the feeling now“ beispielsweise dient dem als Single veröffentlichten <a href="https://vimeo.com/174502884" rel="nofollow">“OB1“</a> als Hook und ja, ich bekomme das Gefühl, obwohl, oder gerade weil sich der Song keinen übertriebenen inhaltlichen Ambitionen hingibt.
Wer eben solche Ansprüche über Bord wirft, kann sich sicherlich mit dem warmen Vibe dieses Albums anfreunden, das wie eine psychedelische Lichtshow mal hierhin mal dorthin mäandert, pulsiert, strahlt, manchmal bezaubernd wirkt.
Wer aufgrund der Tatsache, dass sowohl THE XX als auch FOALS bekennende Fans von JAGWAR MA sind, große Ähnlichkeiten zu diesen Bands erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein: Weder die kalt-kuschlige Klarheit von THE XX, noch die schwitzende Energie von FOALS sind hier zu finden.
Als Anspieltipps lassen sich einerseits das erwähnte „OB 1“ nennen, nicht zuletzt, weil es den allgemein vorherrschenden Tonus des Albums gut widerspiegelt, andererseits „Give Me A Reason“: Give me a reason – to be woman? Nein, BETH GIBBONS hat ihren grauen Wollpullover gegen ein buntes Kleid eingetauscht, sich eine ordentliche Dosis Acid gegönnt und folgt jetzt im Rhythmus des hyperaktiv blubbernden Beats Gabriel Winterfields Tanzanweisungen: „And left an right...“
FAZIT: „Every Now & Then“ ist eine in allen Farben leuchtende Rauchfahne, bei der das allgemeine Feeling mehr wert ist als die einzelnen Songs, von denen zwar keiner deutliche Angriffspunkte für Kritik liefert, aber auch wenige aus der verschwurbelten Unbestimmtheit des warmen Electro-Psychedelic-Pop-Sounds heraustreten, den JAGWAR MA auf ihrem zweiten Album kultivieren.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.11.2016
Jack Freeman
Gabriel Winterfield
Gabriel Winterfield, Jono Ma
Jono Ma
Marathon
50:08
14.10.2016