Man muss sich ernsthaft fragen, was HANS LUNDIN geritten hat, nach dem grottenschlechten KAIPA-Album „Händer“ zwei Jahre später ein noch schlechteres Album rauszuhauen, welches tatsächlich den angekratzten Ruf dieser Band endgültig zerstörte. Im Grunde war die Auflösung KAIPAs danach zwingend notwendig, denn ansonsten wäre aus der ehemals so hoffnungsvoll gestarteten schwedischen Prog-Band wohl nur noch eine Schlager-Band übrig geblieben.
„Nattdjurstid“ klingt genau nach der Musik, wegen der man die 80er Jahre hasste: wellig geklonter, plastisch synthetischer, eintönig sich wiederholender, an den Nerven zerrender Pop im Dünnschiss-Soundgewand! Kompositorische Ideen gleich Null. Musikalische Umsetzung unterirdisch. Das pure Entsetzen für alle, die sich nach den ersten drei KAIPA-Alben noch eine klitzekleine progressive Hoffnung bewahren wollten. Mit ROINE STOLT war auch der Prog bei KAIPA ausgewandert und der Plastik-Pop eingezogen, der in den allerbesten Momenten („Speglarna“) ein paar klitzekleine JAPAN-Parallelen aufweist. Im Gunde kann man sich wahrscheinlich sogar glücklich schätzen, dass man nicht auch noch den Wortlaut der schwedischen Texte versteht.
Der fünfte Song des Albums heißt „Identitätskrise“ und ist zugleich symptomatische für den Zustand der Band im Jahr 1982. Das Gute und Kreative ist abhanden gekommen. Es wurde durch Einfallslosigkeit und behäbige Austauschbar- sowie Belanglosigkeit ersetzt. Nicht ein Song auf diesem Album lohnt für eine intensivere Auseinandersetzung. Alles klingt wie ein schlecht programmiertes Computerprogramm, das man mit Rhythmen und Plattitüden füttert, um diese per Knopfdruck beliebig zusammenzuwürfeln und mit Zufallsgenerator abzuspielen.
Genauso wie mit dem gesamten, althergebrachten Album verhält es sich auch mit den drei Bonus Tracks, die es auf eine Laufzeit von insgesamt 15 Minuten bringen. „Cellskräck“ ist ein Song aus dem dem Elektro-Pop-Baukasten mit quietschender Gitarre und seltsam blechernen Soundeffekten sowie miserablem Gesang, der irgendwie an die schrecklichsten Songs der ungarischen Band OMEGA erinnert. „Bländad Ikvall“ versucht sich anfangs drummend an der Kopie von COLLINS‘ „In The Air Tonight“ und bis zum Ende hin nervenden Oh-Ho-Ho-Ho-Gesang, bei dem der Hörer höchstens Au-Au-Au-Au denkt. Mit „Armé Av Lust“ - der Armee der Leidenschaft - endet das leidenschaftsloseste, armseligste KAIPA-Album aller Zeiten. Wäre es doch bloß im Giftschrank der schlimmsten Band-Entgleisungen geblieben!
Das letzte Bild im wieder recht informativen Booklet zeigt alle KAIPA-Musiker, die sich an einem Besen festhalten. Wahrscheinlich diente er ihnen dazu, diesen musikalischen Müll wegzukehren.
FAZIT: Am Ende bleibt leider nur die Erkenntnis, dass die beiden 80er-Alben von KAIPA wohl bis vor kurzem völlig zurecht nie als CD erschienen sind. Man hätte den Mantel des Schweigens auch weiterhin darüber ausbreiten sollen. „Händer“ und „Nattdjurstid“ sind eine genauso entsetzliche Enttäuschung wie es das gruselige Pop-Album „Fantasten“ bei GROBSCHNITT war. Synthie-Pop und New Wave mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum von einem CD-Player-Durchlauf. Ertragen und wegstellen. Ausschließlich was für Sammler und KAIPA-Komplettisten - ansonsten Hände und Ohren weg davon!
Punkte: 2/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.02.2016
Mats Lindberg
Hans Lundin
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Tempus Fugit / SPV
53:46
29.01.2016