Mit ihrem zweiten Album stoßen KARIES weiter in für Deutschland nach wie vor eher ungewohnte Musikgefilde vor: Post Punk und Noise Rock sind zwar keineswegs exotische Stile hier, doch die Stuttgarter gemahnen abgesehen von ihrer muttersprachlichen Lyrik stark an Vorbilder aus Übersee. Dass "Es geht sich aus" dennoch sehr eigenständig klingt, adelt die Gruppe als Anführer einer Bewegung, die in Ermanglung von Mitstreitern keine ist.
No Wave minus Avantgarde, weniger dringliche SUICIDE und immer wieder SONIC YOUTH kommen beim Hören von KARIES in den Sinn. Die Scheibe ist mit einem besseren Sound als auf ihrem Einstand ausgestattet, was das beflissen komponierte Material im besten Licht erstrahlen lässt. Das treibende 'A' erweist sich genauso wie der hypnotische Video-Track 'Keine Zeit für Zärtlichkeit' als Mini-Hit, doch danach ist der Ofen noch lange nicht aus.
Nach hinten raus werden KARIES zwar einen Tick experimenteller, aber keines der Stücke eignet sich lediglich für ein Nischenpublikum, zumal selbst Menschen, die eine Aversion gegen "studentische" Inhalte und pseudo-intellektuellen Dilettantismus haben, nichts zu befürchten brauchen. Diese Band klingt in der Gegenwart nicht jugendlich und wird die musikalische Zukunft ihrer Umgebung (vielleicht auch darüber hinaus) mitbestimmen. Leiht ihr ein Ohr!
FAZIT: Echoende Gitarren, dem Alltag Tiefsinn verleihende, dringliche Texte und mehr als solides Songwriting vereinen sich bei KARIES zu zwingender Musik, für deren "Deutschsein" man sich ausnahmsweise einmal nicht entschuldigen muss.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.11.2016
Benjamin Schröter, Max Nosek, Jan Rumpela, Philipp Knoth
This Charming Man
43:02
04.11.2016