Wenn eine der derzeit führenden Prog-Bands Frankreichs mit einem neuen Album aufwartet, dann ist fast sicher, dass den Hörer wieder etwas ganz Großes, oft Überraschendes erwartet. LAZULI setzten fünf Alben lang Maßstäbe am progressiven Firmament. Und sie setzen diese erneut auch mit ihrem sechsten Album „Nos Âmes Saoules“.
Eigentlich liegt der einzige Wermutstropfen für viele sicher ausschließlich darin, dass jeder, der der französischen Sprache nicht mächtig ist, leider die umfangreichen Text-Inhalte des außergewöhnlich ansprechend bebilderten Digipacks mit eingeklebten 20seitigen Booklet nicht versteht. Denn die scheinen - wie eigentlich schon immer - eine große Rolle für die Franzosen zu spielen, die mit DOMINIQUE LEONETTI einen Sänger der Extraklasse an Bord haben, der von den höchsten bis zu den tiefsten Tönen zwischen hymnischen Arien und furztrockenen Rockern alle Stimmlagen meisterhaft beherrscht.
Diesmal haben sich die fünf Fanko-Progger dafür entschieden, eine geschickte Kombination aus intensiven akustischen, oftmals ruhig-harmonischen Momenten mit progressiv elektrifizierten, die mitunter bombastische Ausmaße annehmen können, zu vereinen. Dabei entsteht ein klangliches Wechselspiel, welches einen beispielsweise bei „Chaussures A Nos Pieds“ in eine anfängliche Bummelzug-Fahrt durch grüne Landschaften einlädt, um urplötzlich mit einer Rakete zusammenzustoßen, die dann mit E-Gitarren-Antrieb in Richtung Sternenhimmel donnert. Das folgende „Le Mar Du Passe“ lässt uns eine breite Palette gesanglicher Extreme erleben, die einem wie in einem gruseligen Märchen, vor dem man in Kindheitstagen Angst hatte, einen Schauer über den Rücken treibt. Dazu wieder eine elektrische Gitarre, die uns zusätzlich das Fürchten lehrt.
Seltsame, kurzweilige Zwischenspiele, mal mit französischen Hörnern, aber auch mal welche, die der frühen FRIPPertronic-Ära eine neue Klangfarbe hinzufügen, sorgen dafür, dass „Nos Âmes Saoules“ wie aus einem Guss klingt, der offensichtlich einem wohl durchdachten Konzept folgt, das sich in „Les Sutures“ zu einem Wall Of Sound erhebt, der einen wiederum in ein fast gruseliges Schwindelgefühl versetzt, bis uns aus diesem beängstigenden Zustand das akustische, wie auf einem Spinett gespielt klingende „Nos Ames Soules“ erst befreit, um dann mit einem feurigen Refrain wieder durchzustarten, der ein wenig nach der verzweifelten Suche eines Rael klingt, dem das auf dem Broadway liegende Lamm abhanden gekommen ist.
LAZULIs Prog-Rock wirbelt einem nicht nur die Ohren durcheinander, sondern auch die Bilder im Kopf, die dort ständig in anderen Farbtönen und Tempi erscheinen. Fast wundersam wirkt dabei auch, dass hier jede Menge Basstöne auftauchen, obwohl LAZULI gar keinen Bassisten in ihren Reihen hat. Mit einem klassisch anmutenden Piano-Stück endet das Album. Auch das hat offensichtlich Symbolkraft, denn „Nos Âmes Saoules“ ist schon jetzt ein Klassiker.
FAZIT: Das sechste Album von LAZULI beginnt und endet leise, zerbrechlich, fast filigran. Doch zwischen dem ersten und zehnten Song von „Nos Âmes Saoules“ brodelt ein progressiver Vulkan, der immer wieder ausbricht, um kurz darauf wieder gezähmt zu werden. Selten nur hört man ein Album, das so homogen laute und leise Klangwelten zu einem einzigartigen Prog-Universum vereint.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2016
Dominique Leonetti
Gédéric Byar
Romain Thorel
Vincent Barnavol
Claude Leonetti (Léode), Romain Thorel (French Horn)
Eigenpressung / Just For Kicks
44:17
19.02.2016