Nach A-Capella-Arbeiten und Singer-Songwriter-Stoff in unterschiedlichen Kontexten macht Lesley Kernochan nun unverwässerte Country-Musik, was auf einen nachvollziehbaren Hintergrund zurückgeht: Die enthaltenen Stücke wurden während ihrer Zeit in Brooklyn geschrieben - also in einer urbanen Welt, die nährende Fantasie von ländlichen Gegenden heraufbeschwor. Ebendiese spiegelt sich in den Kompositionen wider.
Bei "A Calm Sun" (der Titel spricht Bände über die sehnsuchtvolle Stimmung) handelt es sich wohlgemerkt um eine edle Ausführung der Stilistik, die sich weder sklavisch am glatten Nashville Sound noch den urigen frühen Sängerinnen und Sängern orientiert. Die von Ella Fitzgerald inspirierte Künstlerin zeigt sich stilistisch autark und meistert mit viel Pop-Verständnis Folk-Anwandlungen genauso wie staubige Wüsten-Americana, womit sie quasi den ganzen Facettenreichtum von US-Landschaften vertont … die Stadt verständlicherweise weniger.
Der Song 'Country In The City' stellt quasi die Quintessenz des Albums dar, sowohl musikalisch als auch inhaltlich: Steel Guitar, Banjo und dezente Percussion-Instrumente statt eines wuchtigen Schlagzeugs bestimmen das Bild weitestgehend, auch wenn man nicht den Eindruck gewinnt, Kernochan beschränke sich zwanghaft darauf. Da gibt es schließlich genauso schmatzende Jazz-Licks (höre 'The Chocolate Tree') wie einen Walzer in Form von 'Wherever I Go', und das Spektrum an unterschiedlichen Stimmungen ist beachtenswert.
Durchgehend wehmütig fällt eigentlich nur die Ballade 'The Universe' aus, wozu das elegische und doch Zuversicht spendende 'Tumbleweed' einen Kontrast setzt. Das flotte 'Hurriance Eye' und 'Blown Away' könnten neben dem kraftvollen 'Loving Family' von Emmylou Harris stammen, mit der sich die Chanteuse generell sehr gut vergleichen lässt, gerade was die aktuelleren Werke der Ikone betrifft.
Lesley reizt ihre vier Oktaven überspannende Stimme nicht bis ins Extreme aus, was für dieses intime Werk auch unangemessen wäre, gerade auch in Hinblick auf die vor Natureindrücken und alltäglichen Begebenheiten strotzenden Texte. Sie sind die krönende Ergänzung zu einer rein musikalisch fürstlichen Genre-Studie, die zünftig mit Major-Producern in den legendären The Village und EastWest Studios in Los Angeles realisiert wurde.
FAZIT: Edlen Country in seinen vielen Facetten bietet "A Calm Sun" - nicht mehr und nicht weniger, dies allerdings in der denkbar besten Form, sowohl was die Umsetzung als auch die schreiberischen Ideen angeht. Mit diesem Album würde sich Lesley Kernochan unter Mithilfe eines großen Labels an die Spitze so einiger Charts spielen. So bleibt es womöglich ein Geheimtipp, was es für Feinschmecker natürlich umso reizvoller macht.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.12.2016
Dan Lutz
Lesley Kernochan
Lesley Kernochan, Dean Parks, Christopher Bruce
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Make My Day
48:12
16.12.2016