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Long Distance Calling: Trips

Stil: Rock

Cover: Long Distance Calling: Trips

Drei Jahre sind inzwischen vergangen, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind. Unsicher, was die Zukunft wohl bringen mag und zugegebenermaßen wenig optimistisch. Du warst noch nie ein Freund vieler Worte, doch an jenem Abend hast du deine Stimme neu entdeckt. Es ist nicht so, als hättest du von dieser noch nie Gebrauch gemacht, doch nie in diesem Maße. Uns war beiden klar, dass nichts mehr so werden würde, wie es einst war.

Erinnerst du dich noch an unsere erste Begegnung? Für mich fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Was andere von dir dachten war dir schon immer egal. So paradox es aus heutiger Sicht klingen mag, das war eines der Dinge, die ich stets an dir bewundert hatte. Für dich galten nur deine eigenen Regeln. Trends und andere Meinung haben dich nicht interessiert, du hast dein Ding unbeirrt durchgezogen. Ich erinnere mich genau an deine abgewetzten Jeans, das ausgeblichene PELICAN-Shirt, das ISIS-Tattoo auf deinem Oberarm und den leicht beißenden Geruch von Schweiß und kalter Asche. Gelegentlich greife ich zu dem Album, das du mir einst geschenkt hast. Auf verblichenen Polaroids machen wir tanzend die Nacht zum Tag, träumen unter dem Sternenhimmel und philosophieren über die unendlichen Weiten des Universums – Zeit hatte keine Bedeutung für uns.

Als du nach all der Zeit den Raum betrittst, erkenne ich dich kaum wieder. Ich blinzle und reibe mir die Augen. Du bist es tatsächlich. Leicht irritiert schau ich durch dich hindurch und mein Blick fällt auf einen von Rost und Staub bedeckten Spielautomaten in der Ecke des Raumes. "Zurück in die Zukunft" schreiben große leuchtende Lettern. Einige Buchstaben flackern und zucken, jeder in seinem eigenen Rhythmus. Die besten Tage der Maschine scheinen längst vorüber. Und doch versprüht das Liebhaberstück einen gewissen Charme vergangener Tage, der mich mit Nostalgie erfüllt.

Zunächst erfüllt unser Schweigen den Raum, dann fasst du dir ein Herz und ergreifst das Wort. Es fühlt sich an, als seien wir Fremde, die sich zum ersten Mal begegnen. Ein Blind-Date gespickt mir Déjà-vus. Während ich mich an die Vergangenheit geklammert habe, hast du in den letzten Jahren ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ich kann nicht mal behaupten, dass du dich tatsächlich verändert hast, irgendwo schlummerte all das vermeintlich Neue vermutlich schon immer in dir. Wie heißt es so schön: wir haben uns wohl auseinandergelebt. Schritt für Schritt, ohne es wahrhaben zu wollen.

Mein Instinkt rät mir eindringlich, einfach zu gehen und dich so in Erinnerung zu behalten, wie ich dich einst kennengelernt habe. Doch du hast viel erlebt und noch mehr zu erzählen. Also höre ich dir zu, das bin ich dir wohl schuldig. Du berichtest enthusiastisch und voller Energie von deiner neue entdeckten Leidenschaft für LINKIN PARK (nicht die 2000er-Nu-Metal-Variante, sondern das, was auch immer heute aus den Helden unserer Kindheit geworden ist) und rollst dabei sogar einmal dein "R" verdächtig wie RAMMSTEINs Till Lindemann. Dabei mustere ich dich und halte Ausschau nach Zeichen von früher, die beweisen, dass es trotz aller Veränderungen noch du bist. Deine Jeans ist noch immer ausgewaschen, die ausgefransten Löcher hast du jedoch mit synthetischen Flicken überdeckt, dein ISIS-Tattoo ragt nur noch dezent und verblasst unter den kurzen Ärmeln deines offensichtlich neu erworbenen Shirts einer namhaften Marke hervor und eine dezente Parfüm-Note schwebt durch den Raum. Ich kann mir gut vorstellen, wie viele neue Freunde und Bekannte dein neues Ich so finden wird.

Du bemerkst, dass ich mit den Gedanken abdrifte und so sitzen wir noch eine Weile still da. Du hast trotz allem das Schweigen nicht verlernt. "Lass uns Freunde bleiben", sagst du irgendwann. In deinen Worten liegt Aufrichtigkeit, doch zugleich auch die Gewissheit, dass du deinen Weg ungeachtet meiner Antwort unbeirrt weitergehen wirst. Es ist schließlich nur dein Weg, nicht mehr der von uns beiden.

FAZIT: Inzwischen sind einige Wochen ins Land gegangen. Bedächtig und noch immer erfüllt von Enttäuschung streichen meine Finger über das Album voller Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit. Dabei ist es nicht so, dass ich dich heute nicht mehr mögen würde. Immer wieder lasse ich unser Treffen Revue passieren und bemerke, wie mir beim Gedanken daran irgendwann gar ein Lächeln über das Gesicht zuckt. Ob wir uns wiedersehen, hast du gefragt, als ich unvermittelt aufgestanden und im Begriff war zu gehen. Die Antwort weiß ich auch heute noch nicht. Aber früher oder später hören wir von einander, ganz bestimmt.

Punkte: 9/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.04.2016

Tracklist

  1. Getaway
  2. Reconnect
  3. Rewind
  4. Trauma
  5. Lines
  6. Presence
  7. Momentum
  8. Plans
  9. Flux

Besetzung

  • Bass

    Jan Hoffmann

  • Gesang

    Petter Carlsen

  • Gitarre

    David Jordan, Florian Füntmann

  • Schlagzeug

    Janosch Rathmer

  • Sonstiges

    Marsen Fischer (keys, piano & electronic sounds)

Sonstiges

  • Label

    Inside Outmusic

  • Spieldauer

    48:53

  • Erscheinungsdatum

    29.04.2016

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