Zwei Saxophone (Alt und Tenor), Bass und Drums sind nicht gerade die konventionellste Besetzung, aber spätestens seit John Coltrane und Pharoah Sanders gemeinsam ins Horn stießen auch nicht so exotisch wie Zombiber. Wobei das Zusammenspiel der beiden Größen als Referenz dienen mag. Auch der französische Vierer LOUIS MINUS XVI wagt sich auf dem zweiten Album in freie Bereiche vor, bleibt aber gebündelter, knapper und weniger in meditativ-ekstatische Sphären vorstoßend wie Coltrane und Co.
Stattdessen gesellt sich bei den heftigeren Tracks ein hämmernder Punk-/Noise-Gestus hinzu, der im abschließenden „Bain Atlas“ die Grenze zwischen Ekstase und Monotonie auslotet. „La Marche“ bleibt im freien Zusammenspiel hingegen knapp, präzise und kulminiert in einem fast kinderliedhaften, melodisch nur leicht verfremdeten Höhepunkt. „Sugar Od“ ist ein rhythmisch akzentuiertes, sich scheinbar spontan entwickelndes Frage- und Antwortspiel.
LOUIS MINUS XVI gestalten die Übergänge zwischen ausformulierter Spielweise und Improvisation fließend, so auch bei den ruhigen, fast schon kontemplativen Stücken wie das erst frei und entspannt herumtändelnde „More Friends“, das sich zum Finale sammelt und in sich geschlossen endet. „Columbine’s Twin“ baut mehr auf hypnotische Stringenz und thematische Doppelungen, um kurz darauf mit orientalischen Einflüssen zu hantieren.
Das Wechselspiel zwischen liedhaften Passagen und freiem Vorantasten gelingt LOUIS MINUS XVI ausgesprochen gut, das Quartett harmoniert hörbar, gerade wenn scheinbar Chaos herrscht. Welches immer nur kurz währt, um von wuchtigen Rhythmen in noiserockige Bahnen gelenkt zu werden, aus denen jederzeit ein Ausbruch möglich ist.
FAZIT: Obwohl LOUIS MINUS XVI Jazz spielen und gerne zum Rock hinüberwandern, wird im „Kindergarten“ keine Jazz-Rock-Show geboten. Stattdessen gibt es eine freie halbe Spielstunde, in der man sich immer wieder zu kleinen (polternden) Liedchen zusammenschließt. Geeignet für Menschen, die offenen Ohres sind, durchaus eher Rock affin, und die sich sachte Free Jazz annähern möchten, bevor es an „The Complete Machine Gun Sessions“ von Peter Brötzmann oder John Coltranes „Ascension“ geht.
Kleines Kuriosum: Laut Bandcamp-Seite und Discogs (unter einem anderem Label) ist das Album seit März 2014 erhältlich, im Netz kursiert der 31.08.2015, der Beipackzettel nennt als Veröffentlichungszeitraum November 2015. Wie auch immer, öffentlich zugänglich ist der „Kindergarten“ jedenfalls.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.01.2016
Maxime Petit
Frédéric L'homme
Adrien Douliez (alto sax), Jean-Baptiste Rubin (tenor sax)
Atypeek Music/Be Coq Records
34:55
06.11.2015