Schon beim Betrachten des, nennen wir es mal ungewöhnlichen, MARBIN-Covers musste ich sofort an die verrückt-abgefahrenen MÖRGLBL denken - eine französische Band, die mit ihrer wilden Mischung aus Jazz-Rock, Prog und natürlich jeder Menge Fusion richtig spannende, progressiv jazzende Musik machten, die einen ähnlich mitriss wie das LIQUID TENSION EXPERIMENT oder PAT METHENY und bei denen der stielvielfältig agierende Gitarrist deutliche Parallelen zu STEVE VAI und JOE SATRIANI oder besagtem Metheny aufwies. Richtig geiler, gitarrenorientierter Jazz-Rock eben.
Sicher kann sich kaum jemand meine Verblüffung vorstellen, als ich „Aggressive Hippies“ auflegte und mich tatsächlich eine Art MÖRGLBL-Abziehbild erwartete. MARBIN jedenfalls fusionieren instrumentalen Jazz, Rock und Prog zu einer eigenständigen Spielart, bei der neben besagten Gitarrero-Heldentum besonders deutlich auch das Saxofon hervortritt und dabei neben freien, wild jazzenden Einlagen auch ganz zärtliche, verträumte Klänge wie Sternschnuppen aus dem dunklen Musik-Himmel fallen lässt. Kein Wunder also, dass alle neun Stücke vom Gitarristen DANI RABIN und dem Saxofonisten DANNY MARKOVITCH geschrieben, arrangiert und produziert wurden. Auch ergibt sich der Bandname aus ihren Nachnamen MARkovitch und raBIN.
Die Musik auf „Aggressive Hippies“ ist jedenfalls eine verdammt große Nummer, welche das Ami-Quartett hier mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Saxofon abzieht. Und schnell wird einem dabei bewusst, wie der Titel des Albums zu deuten ist, denn alle Hippies oder Blumenkinder werden bei dieser Musik garantiert aggressiv, weil sie eben nicht nach dem Woodstock-Schlamm, sondern eher nach einem Jazz-Rock-Festival auf PLANET X klingt.
Dagegen ist „Intro“ ein echter Ausnahmetitel geworden, der deutlich von dem Jazz-Rock oder Fusion-Progfeeling abweicht, denn eine atmosphärische E-Gitarre schwelgt in traurigen Blues-Tönen, so als müsste sie mitternächtliche Tränen vergießen. Da ist es schon fast schade, dass dieses deutlich von der Norm abweichende dreiminütige Mitternachtsstück, gemeinsam mit „Aggressive Hippies“, das mit Abstand kürzeste des Albums ist, auf dem sich die verbleibenden sieben Instrumentals zwischen 6 und 9 Minuten bewegen.
Aber auch das längste Stück, der ruhige „Morning Star“ lächelt einen in zärtlichen Tönen mit seinem JAN GARBAREK-Gesicht an, weil das Saxofon so wunderschön verträumt klingen darf wie auf „In Praise Of Dreams“. Nicht nur das zärtlichste, in gewisser Weise auch das beste Stück des Albums, das sonst mit sehr viel feuriger Jazz-Leidenschaft zur Sache geht, wobei auch weltmusikalische Tendenzen nicht fehlen dürfen, wofür <a href="https://www.youtube.com/watch?v=hJvxgrtLLcw" rel="nofollow">„African Shabtay“</a> das beste Beispiel ist!
Aggressive Hippies aller Länder vereinigt euch und hört „Aggressive Hippies“ - das ist wesentlich besser als jedes andere Musik-Kapital zu dem ihr euch bei einem fetten Joint samt der singenden Muttis und trällernden Vatis dem „California Dreamin‘“ hingeben könnt.
FAZIT: Mit etwa 500 Auftritten in vier Jahren gehören MARBIN zu einer der aktivsten Jazz-Rock-Bands nicht nur in den USA, sondern weltweit. Diese Live-Erfahrung klingt auch auf ihrem aktuellen Studio-Album durch, selbst wenn das Studio-Feuer nicht gänzlich so heiß rüberkommt wie die Live-Atmosphäre. Trotzdem ist „Aggressive Hippies“ schon verdammt nah dran!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.03.2016
John W. Lauter
Dani Rabin
Greg Essig
Danny Markovitch (Saxofon)
Moonjune Records / CARGO Records / Shack Media
53:45
11.03.2016