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N: Anklam

Stil: Ambient / Drone / Noise

Cover: N: Anklam

Bewegt man sich wie Hellmut Neidhardt alias N über nunmehr knapp 50 Veröffentlichungen auf der unbeirrten Entdeckungsreise der verworrenen Pfade von meditativem Ambient, wohligem Drone und irisierendem Noise, dann erhöht sich die Gefahr der Redundanz und die ohnehin omnipräsente Frage der Relevanz hinsichtlich derlei freischwebender Klangarchitektur gewinnt zunehmend an Gewicht. Keine leichte Aufgabe also, in diesem ohnehin von Natur aus grenzgängerischen Genre-Gemisch zu bestehen und sich und seine Kunst in steter Regelmäßigkeit derart neu zu erfinden, die Spannung auch für die eingefleischte Hörerschaft hochzuhalten und nicht der Gefahr der Beliebigkeit zu erliegen.

Eingespielt über das N-typischen Amp- und Effektboard-Setup und auf lediglich 100 strikt limitierten Schallplatten verewigt, ist auch diese Veröffentlichung mehr ein Live- denn ein klassisches Studio-Album und trägt damit dem Konzept zwischen Komposition und Improvisation gekonnt Rechnung. Eine einmalige Momentaufnahme, deren grundlegende Bestandteile und intendierte Gefühlslage zwar rekapituliert, jedoch nie vollständig kongruent reproduziert werden können. Kein neuer Ansatz, aber deswegen nicht weniger stimmig.

Im Gegensatz zu der Vielzahl an Kooperationen in der umfangreichen Diskografie des umtriebigen Dortmunders, stellt "Anklam" ein reines Soloalbum dar, auf dessen drei Stücken vielmehr die Bandbreite des Schaffens von Neidhardt denn ein kohärentes Ganzes präsentiert werden. Das eröffnende "Daemmerung" setzt auf auf einem eher statischen Grundrauschen und entwickelt sich Schicht und Schicht zu einem weit gefassten, pulsierenden Melodiebogen, dessen arktische Kälte im Wechselspiel mit dem hypnotischen Schimmern der Aurora Borealis immer weiter ihre Kreise ziehen, bis letztlich alles zu seinem Ursprung zurückkehrt und in der nächtlichen Weite verebbt. Im Gegensatz zum darauf folgenden "Restlicht", welches in nicht mal fünf Minuten auf den Punkt kommt, ein eher typisches Stück des Künstlers. "Restlicht" kontrastiert dieses und insbesondere das nachfolgende "Requiem" mit seiner Kompaktheit, hätte aber gerne etwas länger ausfallen dürfen, um sich vollends entfalten zu können. So wirkt es in seiner Dichte fast schon gehetzt. Ganz im Gegenteil zum finalen "Requiem", dessen tragendes Motiv sich über 24 Minuten in all seiner Pracht entfalten darf, jedoch insgesamt etwas mehr Bewegung hätte vertragen können. Statt voluminöser und bis zur Unkenntlichkeit aufgetürmter Klangkollagen, beherrschen Reduktion und subtile Progression die sakral anmutende Szenerie, die sich Mal um Mal aus der eigenen Haut schält und subtil variiert neu präsentiert.

FAZIT: Wer auf der Suche nach Musik im klassischen Sinne ist, dürfte wohl mit keiner der Veröffentlichungen von N wirklich zurechtkommen und wird somit auch "Anklam" verächtlich als willkürliche Geräuschkulisse abtun. Den genannten Genres Aufgeschlossene und Sound-Liebhaber, die auf der Suche nach etwas Neuem abseits der regulären Hörgewohnheiten sind, seien die verschiedenen Forschungsreisen der Klangästhetik von N wärmstens ans Herz gelegt. Für dein Einstieg sind die Kollaborationen mit [BOLT], DIRK SERRIES, AIDAN BAKER oder jüngst auch SANKT OTTEN jedoch die leichter zugängliche Alternative. In jedem Fall gilt: unbedingt live erleben!

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.09.2016

Tracklist

  1. Daemmerung
  2. Restlicht
  3. Requiem

Besetzung

  • Gitarre

    Hellmut Neidhardt

Sonstiges

  • Label

    Denovali Records

  • Spieldauer

    47:07

  • Erscheinungsdatum

    23.09.2016

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