Metzgergut undefinierter Herkunft, eigens für das Cover in geschwungenen Linien drapiert und rot auf rot im eigenen Safte ruhend, um als Skulptur verstanden zu werden. Es vermittelt vordergründig Leblosigkeit, ja Gegenständlichkeit. Doch ihre unnatürlich verformten Wülste lassen etwas einstmals und immer noch Lebendiges vermuten: Eine Art Haarschopf, der mit Sorgfalt frisiert scheint. Die Silhouette eines knienden Menschen mit geöffneter Bauchhöhle. Welche Wolkentiere einem der Verstand beim verstörenden Anblick des Covers auch immer weismachen will: Die Übergänge der Fleischfasern in den Verstand hinein bleiben unscharf und verzerrt.
Wie könnte man da nicht an David Cronenbergs Body-Horror-Phase und seine Kunde des „neuen Fleisches“ denken, mit der Transformation als erregendem Moment einer Loslösung des Geistes von der Materie. Das Geschäft von NARCOSATANICOS ist eben auch die Transformation und alles, was von einer solchen berührt wird. Ihr mehr avantgardistisch als punkig interpretierter Noise Rock manifestiert sich als ein komplexes Rauschen im Ohr, realisiert über immerhin neun verschiedene Instrumente zuzüglich der Vocals. Diese dehnen sich hallend in den Hintergründen aus und suggerieren einen Bewusstseinszustand, der sich bereits halb ins Jenseits verabschiedet hat, während das Trommelfell auf einer bebenden Plane fixiert wird.
Wirklich schneidend in dem Geräuschewust ist nur dieses höllische Saxophon. Wehklagend, schmerzerfüllt und von Einsamkeit verkümmert, schließt es überdeutlich zu Jørgen Munkeby auf und muss somit in Verwandtschaft zu den wichtigsten Werken der Norweger SHINING stehen. Aus der viehischen Artikulation des Instruments lässt sich – wiederum Cronenberg gemäß – auch eine sexuelle Lesart deuten, die gleich mit dem symbolträchtigen Starttitel „Vulvic Church“ bestätigt wird. Die Verschmelzung von Einzelteilen wird zum obersten Ziel erklärt und mit Elementen aus Fusion und Free Jazz standesgemäß untermalt.
Von diesem unscharf umrandeten Blick durch das Periskop löst sich „Body Cults“ nur selten. Das möglicherweise auf „Videodrome“ referierende „Television Dreams“ weist zumindest kleine Momente auf, in denen der massiv aufgeblähte Korpus schrumpft und etwas Ästhetisches zum Vorschein kommen lässt, das den scharf modellierten Wellen des Sax nacheifert; mehr noch gilt das für „Matamoros“, das eine Zeit lang sogar den Bass aufleuchten lässt und das Saxophon zu zähmen in der Lage ist. Meist jedoch setzen sich die Titel aus undefinierten, sich überlappenden Einzelstücken zusammen, die nur scheinbar grobschlächtig miteinander vernäht werden, tatsächlich aber ein Panoptikum verstörender Sinneseindrücke gewähren.
FAZIT: Alles hat ein Ende, nur NARCOSATANICOS hat zwei? Wo „Body Cults“ beginnt oder endet, kann man gar nicht so richtig beantworten. Das Sextett aus Dänemark formt seine Töne zu einem gedrungenen Monolithen mit so sonderlichen Organen wie der Violine oder der Esraj, wobei verzerrte Gitarren und schepperndes Schlagzeug den Korpus bilden, welchen Zeki Jindyls Saxophon durchzieht wie ein Adergeflecht. Für Vegetarier garantiert ungeeignet, aber eine lohnenswerte Sinneserfahrung für Grenzgänger allemal.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2016
Mikkel Stenholt
Victor Kim, Zeki Jindyl, Tobias Holmbeck
Victor Kim, Tobias Holmbeck, Kasper Skotte
Johannes Krøyer
Victor Kim (Esraj), Zeki Jindyl (Saxophon, Piano), Tobias Holmbeck (Orgel, Violine), Kasper Skotte (Synthesizer)
Bad Afro Records
42:20
04.11.2016