Zurück

Reviews

Nina Reiter: Night, Sleep, Death And The Stars

Stil: Jazz

Cover: Nina Reiter: Night, Sleep, Death And The Stars

Junge Frau in langem schwarzem Kleid auf dem Friedhof. Ein Song zu einem Text von Walt Whitman. Nacht, Schlaf, Träume und die Sterne. Kein Gothic-Metal, kein düsterer Jazz-Pop mit beseelter Sängerin, die dahinschmelzend mit ihren Nachtmahren ringt.

Wir begeben uns tief in hinein die Traumphase, die Musik dazu entflieht Klischees. Es gibt kantigen Jazz, Scat-Gesang, Rock grüßt von ferne. Schwelgen in satter, düster dräuender Elektronik findet gar nicht statt. Erwartungen ans beklemmende Thema werden gebrochen. Fast fröhlich wird bisweilen den Nachtschatten entgegen getreten, dann wieder – im Hintergrund – geraunt, gestöhnt, geschmatzt, geschrien, die Düsternis bahnt sich ihren Weg hinaus in den nächtlichen (T)raum.

Das Piano dominiert in der Instrumenten-Sektion, der Bass setzt tief grollende, starke Akzente, die Drums werden eher heftig gestreichelt als geschlagen, an exponierten Stellen gesellt sich Gastmusiker Toni Amadeus Bechthold mit dem Tenorsaxophon stimmig hinzu. Vokal zieht Nina Reiter die Register zwischen wortlosem, recht dezentem, Scatgesang und kunstvollen Lyrismen. Das ist nicht gefällig auf den ersten Hördurchgang, wirkt aber beim zweiten und dritten.

Fernab von wohligem Schlafzimmergrusel führt Reiter ihre Hörer in eine kunstvolle Welt, in der Jazzgeschichte zelebriert wird und ganz eigene Traumgebilde in Szene gesetzt werden. Am Exzessivsten in der Eigenkomposition „The Nightmare Suite“, die flankiert wird von weiteren Originalen, einer Bearbeitung des Traditionals „Dear Old Stockholm“, aber auch Dizzy Gillespie (der Klassiker „Night In Tunisia“) und Thelonious Monk („I Mean You“) ihre Referenz erweist.

Scharfkantig und betörend, ohne Angst vorm Umkippen ins atonale, bietet „Night, Sleep, Death And The Stars“ Romantik und Angst, luziden Jazz, manchmal ausbrechend in freie, offene Bereiche. Garniert wird das Ganze mit einem Hauch Klassik. Bleibt aber gebündelt in kontemplativen Momenten, die auch dann gefunden werden, wenn der Puls hochschnellt.

FAZIT: „Night, Sleep, Death And The Stars“ ist eine herausfordernde Romanze zwischen Tag, Nacht und Traum. Die junge Österreicherin Nina Reiter singt, säuselt, schreit und scattet mit Verve, unterstützt von nachdrücklich aufspielenden Begleitern, die den abwechslungsreichen Gesang mit vollem Einsatz und Können unterstützen und gleichzeitig eine eigene Stimme haben. Auch klanglich hervorragend, jeder Ton dringt klar und warm aus den Boxen, im oft mehrschichtigen Geschehen geht nichts verloren. Kunstvoll, verstiegen, anspruchsvoll im Wortsinn und eine lohnende Entdeckung.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.04.2016

Tracklist

  1. City Of Orgies
  2. The Nightmare Suite
  3. Dear Old Stockholm
  4. Moving On
  5. I Mean You
  6. Il Girondolone
  7. Night In Tunisia

Besetzung

  • Bass

    Benjamin Zalud

  • Gesang

    Nina Reiter

  • Keys

    Stephan Plecher

  • Schlagzeug

    Primus Frosch

  • Sonstiges

    Toni Amadeus Bechthold (tenor sax)

Sonstiges

  • Label

    Unit Records/JaKla/Harmonia Mundi

  • Spieldauer

    53:00

  • Erscheinungsdatum

    15.03.2016

© Musikreviews.de