Aha! Nun also wissen wir, wo die musikalische Reise der hessischen Band OKTA LOGUE hingeht, die so verheißungsvoll mit verspielt progressiven, psychedelischen Retro-Rhythmen auf ihrem ersten Album „Ballads Of A Burden“ (2012) begann, dann mit „Tales Of Transit City“ (2013) sich deutlicher dem Mainstream zuwandte, sich aber trotzdem noch immer zart im Prog und etwas Psychedelic auslebte, und sich nunmehr mit ihrem dritten Album „Diamonds And Despair“ gänzlich elektronischen Pop- und Rock-Rhythmen zuwendet, denen zwar noch ein paar psychedelische Momente innewohnen, während man nach wirklich Progressivem aber vergeblich sucht.
Auch bleibt zu hoffen, dass die aktuelle OKTA LOGUE-CD vom Sound her in ihrer Endversion nicht so blechern, schwammig und dünn klingt, wie diese 16-Bit-Promo-CD dem Kritikers aus dessen High-End-Anlage entgegenscheppert. Schon beim übermäßig eingesetzten Gesang fällt unabhängig von der Aufnahmequalität auf, dass dieser oft mit etwas Hall hinterlegt oder verfremdet wurde und manchmal wie ein peinlicher 80er-Jahre Pop-Song rüberkommt. BENNO HERZ klingt jedenfalls verdammt weichgespült und eine Slide-Gitarre verleiht ihm dabei mitunter sogar noch einen Americana- und Country-Duktus, der zu den (nunmehr) ehemaligen Hoffnungsträgern deutschen Retro- und Neo-Progs nicht wirklich passen will.
„Einfachheit und Eingängigkeit statt Verspieltheit und Progressivität“ - scheint die neue Devise von OKTA LOGUE zu sein, wofür allein schon die Tatsache spricht, dass 11 der insgesamt 14 Titel auf „Diamonds And Despair“ sich im radioformattauglichen Drei- bis Vier-Minuten-Bereich bewegen. OKTA LOGUE scheinen für sich eine musikalische Grundsatzentscheidung getroffen zu haben. Und die heißt elektronisch orientierte Popmusik, die klar in Richtung AIR oder ARCHIVE (Obwohl die um Längen besser sind, gerade weil sie mit „Axiom“ so ein progressiv beeindruckendes Kunstwerk vorlegten!) geht und 80er-Synthie-Pop statt orgelnder Retro-Rock! Ob sie sich damit einen Gefallen tun, bleibt erst einmal dahingestellt. Den Kritiker dieser Zeilen jedenfalls enttäuscht diese Entscheidung fulminant. OKTA LOGUE machen aus dem anfangs noch ungehobelten Holz vor ihrer Musik-Hütte nur noch einen Haufen beliebiger Presspappe. Sie suchen nach einer Schublade und haben sie gefunden. Und die steckt mitten im Schrank Pop. Das erste <a href="https://www.youtube.com/watch?list=PLEBk4P_D79JN_HsYUcsLM5UbSpfauEjYw&v=MCCT7tmzOWc" rel="nofollow">ausgekoppelte Video zum Album</a> - „Pitch Black Dark“ - offenbart auch noch den audio-visuellen Beweis dazu.
Plötzlich fühlt man sich beim Hören immer wieder an die SIMPLE MINDS erinnert, es gibt sogar deutliche Parallelen wie auf dem dem Album seinen Namen verleihenden Song „Diamonds And Despair“. Die beiden längeren Titel „Distance“ (7:29) und „Summer Days“ (11:49) erscheinen im Kontext ihrer aktuellen 2016er-CD fast wie ein Alibi-Versuch für die alteingesessenen Fans der Band: „Hey, hört mal her, wir können immer noch wie früher klingen!“ Im Falle von „Distance“ singt dieses „Lied“ dann die GILMOUR-Gedächtnis-Gitarre, während sich auf „Summer Days“ noch einmal deutlich auf dem psychedelischen Hippie-Gras niedergelassen wird.
Der letzte kurze Song „Take It All“ erinnert dann noch einmal an die frühe Pop-Phase von PINK FLOYD und kombiniert „Cymbaline“ und „Green Is The Colour“ inklusive dem Vogelgezwitscher, um eine neue OL-Variante daraus entstehen zu lassen. Ganz ähnlich machen das RPWL schon seit Ewigkeiten.
Irgendwie erscheint es auch kein Wunder zu sein, dass der Keyboarder NICOLAI HILDEBRANDT unmittelbar nachdem das Albums im Kasten war, die Band verließ (und für den bereits mit Max Schneider ein Ersatz gefunden wurde). Denn gerade er war mit seiner Orgel sehr prägend für die Retro-Sounds vergangener OKTA LOGUE-Zeiten, die oftmals auch das herrliche DOORS-Gefühl vermittelten.
Und nun plötzlich synthieorientierte Pop-Musik?
Wer bitte würde da als Tasten-Jongleur nicht das Handtuch werfen?
Mich jedenfalls erinnert die Entwicklung von OKTA LOGUE frappierend an die von POLARKREIS 18, welche als riesige Hoffnung für alle Freunde solcher Musik wie RADIOHEADs „OK Computer“ begannen und dann im Synthie-Pop-Sumpf versanken und mit schrecklichen Alben und Auftritten beim deutschen Vorausscheid zum Eurovision Song Contest endgültig die letzten Hoffnungen bei ihren Fans der ersten Tage begruben. Ähnlich schlimm entwickelten sich auch DREDG. Noch habe ich die Hoffnung, dass in diese musikalischen Fußstapfen nicht auch OKTA LOGUE treten, um sich genau dort einzureihen, wo begabte Musiker sich auf dem von großen Labels errichteten Friedhof Mainstream ihr eigenes Grab graben.
FAZIT: In einem Interview mit dem „Echo“ stellte Gitarrist Meloi fest:
„Es klingt wahrscheinlich abgedroschen, aber für uns ist es das beste Album. Wir waren noch nie so zufrieden und wir hatten noch nie so eindeutig das Gefühl, dass wir unseren Sound umsetzen konnten.“
Der Kritiker jedenfalls empfindet das genaue Gegenteil dieser Aussage beim mehrfachen Hören von „Diamonds And Despair“. Na ja, das liegt wohl auch daran, dass er weniger auf geschliffene Diamanten, dafür aber mehr auf ungeschminkte Natürlichkeit setzt.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.04.2016
Philip Meloi
Benno Herz
Philip Meloi
Nicolai Hildebrandt
Robert Herz
Virgin / Universal
67:34
15.04.2016