Wenn das österreichische Sextett einmal richtig loslegt, dann gibt es kein Halten mehr - musikalisch wie textlich! Oder nennen wir PALINDROME einfach mal die progressive Chaostheorie, der manchmal eine ordnende kompositorische Hand fehlt. Schon die Idee, nicht nur eine Zellkultur auf dem Digi-Cover und im Booklet abzubilden, sondern sich konzeptionell gleich der Gen-Problematik zuzuwenden, die durchaus etwas verwirrend daherkommt und manchmal sogar ein wenig den Sarrazin in sich trägt, indem sie davon ausgeht, dass wir stärker von den Genen als unserem Umfeld geprägt werden, erscheint durchaus problematisch. Aber in der Kunst und der Musik ist alles erlaubt, auch komplizierte wissenschaftliche Thesen aufzugreifen und ein komplettes Konzept-Album daraus zu basteln. Nur sind die musikalischen Gene auf „Strange Patterns“ verdammt einseitig „manipuliert“, so als hätte man das Tempo-Gen entschlüsseln wollen.
PALINDROME klingen wie die kleinen Geschwister von THE MARS VOLTA mit weiblichem Gesang und BENT KNEE. Allerdings müssen sie noch jede Menge lernen, um richtig groß zu werden, auch dass manchmal etwas weniger deutlich mehr ist. Etwas weniger treibendes Drumming. Etwas weniger schreiender weiblicher Gesang. Etwas weniger Mathrock. Etwas weniger Tempo. Etwas weniger Bässe. Etwas weniger hämmernde Rhythmen.
Im Promo-Sheet zu „Strange Patterns“ wird das nunmehr zweite Album der Österreicher als „zeitgemäßes Manifest von Progressive Rock im Jahre 2016“ bezeichnet. Das kann man so einfach nicht stehen lassen, denn die progressiven Elemente weichen hier noch viel zu oft etwas eintönig scheppernden Metal- oder Post-Elementen. Komplexität, ein typisches - ja, eigentlich das Merkmal guten Progs - bleibt dabei viel zu oft auf der Strecke. In den allerbesten Momenten hören wir ANEKDOTEN-Anklänge, die aber immer wieder in druckvollen Wiederholungen verschwinden. Auch trägt der Gesang von ROSA NENTWICH-BOUCHAL, die zugleich für das Konzept und alle Texte verantwortlich ist, nicht wirklich zu qualitativen Steigerung der Musik bei, ganz im Gegenteil zu den viel zu kurz kommenden Saxofon- oder Keyboard-Beiträgen. Gitarre, Schlagzeug und Gesang bestimmen die Musik auf „Strange Patterns“. Und so schön auch der Gitarrist frickelt, er tut es viel zu oft für sich. Und ewig wummern dabei noch die Bässe.
Hektik macht sich beim Hören breit. Keine wirklich Freude.
Und die Zeilen aus „Mountain Desert“: „This special state needs double speed / in its lowest grade!“, scheinen sich PALINDROME zugleich für ihre Musik auf die Fahnen geschrieben zu haben. Oft sehnt man sich beim Hören nach den stilleren, langsameren Momenten, die dann tatsächlich das progressive Element in sich tragen. Leider werden diese Sehnsüchte kaum erfüllt.
So bleibt am Ende ein seltsam-interessantes Text-Konzept übrig, das auf weniger interessante, tempogeladene Musik trifft, welche sich gerne ziemlich brachial, aber nicht wirklich progressiv, im Sinne von fortschrittlich, präsentiert.
FAZIT: Vielleicht sollten PALINDROME sich mehr auf die Suche nach dem progressiven Rock-Gen begeben, als sich mit dieser manchmal nerven- und markerschütternden Musik an den frühen MARS VOLTA-Zeiten abzuarbeiten, als auch die noch zwischen Krach und beeindruckenden Ideen auf der Suche nach einem eigenen Weg waren.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.04.2016
Jürgen Bauer
Rosa Nentwich-Bouchal
Tobias Faulhammer
Mario Nentwich
Paul Pozarek
Thomas Weber (Saxofon)
Panta R&E / Rough Trade
35:18
01.04.2016