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Paul Bremner: The Witness

Stil: Progressive Rock/Art Pop

Cover: Paul Bremner: The Witness

Dreizehn Jahre sind seit Paul Bremners erstem Soloausflug “Wombsong” vergangen, wie kaum anders zu erwarten zeigt sich der IZZ-Gitarrist gereifter, epischer und auch songorientierter. Seinen Hang zu süßlichem Schmu hat er leider nicht komplett abgelegt. Obwohl die komplette IZZ-Truppe an „The Witness“ beteiligt ist, fehlt oft ein echtes Pendant, das Tränendrücker wie das, glücklicherweise sehr kurze, an Mike Oldfield in traurigen Phasen erinnernde „Vistas“ oder das schmalzige „Sad“, eine Mischung aus B-Musical-Schlaf- und Liebeslied, aus ihrer allzu behaglichen Komfortzone herausholt.

Demgegenüber stehen gefühlvolle Tracks mit weit ausholenden Melodiebögen, stets im Wohlklang zu Hause, auch wenn das Tempo angezogen wird. Der Gesang von Anmarie Byrnes und Laura Meade ist klar und getragen, passend zur Musik. Wobei Meades dezent näselndes Organ manchmal ein wenig kippelig ist, was dem Sound dann doch etwas leicht Irritierendes verleiht. Passt schon und trägt die pastorale Atmosphäre der Songs meist, ohne in überspanntem Pathos zu enden.

Mit „Are You Ooh Yah“ gibt es ein kleines funkiges Experiment, nett, locker und ein bisschen albern. Seinen Cocktail würde man dennoch lieber zu den Originalen wie der RAH BAND oder SHAKATAK am Pool schlürfen. Sympathisch ist das Liedchen mit den Shalala-Lyrics (beziehungsweise einer kindlichen „Halleluja“-Paraphrase) allemal.

Highlight des Albums sind das straffe Titellied, das gekonnt zwischen treibenden und schwelgerischen Passagen changiert, das jazzrockige Instrumental „No Remorse“ sowie der in fünf Parts gesplittete, zwanzigminütige Longtrack „Last Exit Before Toll“. Hier stimmen die dynamische Feinabstimmung und der dramatische Aufbau. Paul Bremner spielt eine schwärmerische Gitarre, die Keyboards sorgen für Höhenflüge, der Rhythmus pulsiert und die Texte sind näher als zuvor an Straßenrealität orientiert, ohne ihren nachdenklichen, bilderhaften Touch je ganz zu verlieren. Erst am Ende wird am Horizont nach Engelsflügeln gesucht; womit ein Zirkelschluss zum hochtrabenden Start geschlossen wird. Kann man nicht mögen ist aber konsequent.

„Last Exit Before Toll“ ist ein spannendes Prog-Hörspiel mit langem Atem und fabulös beschworenen Stimmungswechseln, rhythmisch wuchtig, mit packenden Orgeleinsätzen und einprägsamen Gitarrenlinien. Im besten Sinne melodramatisch.

FAZIT: Obwohl Paul Bremner draufsteht ist viel IZZ drin, nicht nur was die Besetzung angeht. Nicht ganz so ausgefeilt und komplex wie die Hauptband, stellenweise etwas zu jammervoll und pomadig, aber über weite Strecken – insbesondere in den zwanzig Schlussminuten – ist „The Witness“ ein ergreifendes, farbenreiches und schmuck klingendes Gefühls-Epos.

Punkte: 9/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.06.2016

Tracklist

  1. From Here I Can See the Horizon
  2. Pilot Fish
  3. Warm
  4. Vistas
  5. Are You Ooh Yah?
  6. Sad
  7. The Witness
  8. Lost in a Memory
  9. No Remorse
  10. Last Exit Before Toll (Car Crash Song)
  11. Home
  12. Justify, Pacify, Testify
  13. A New Source
  14. The Wings of the Angels

Besetzung

  • Bass

    Paul Bremner, John Galgano

  • Gesang

    Anmarie Byrnes, Laura Meade, Tom Galgano, Johanna Farrand

  • Gitarre

    Paul Bremner

  • Keys

    John Galgano

  • Schlagzeug

    Greg DiMicelli, Brian Coralian

Sonstiges

  • Label

    Doone Records/Just For Kicks Music

  • Spieldauer

    68:34

  • Erscheinungsdatum

    17.06.2016

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