Es ist eine echte Schande für einen Kritiker, wenn er zugeben muss, eine Band noch nicht zu kennen, die dermaßen abgefahrene Musik macht, dass sich so etwas doch längst rumgesprochen haben müsste. Aber nein, einer der Musiker schreibt eine E-Mail an den Kritiker und bittet um eine Review, weil er glaubt, dass die Musik seiner Band doch ungewöhnlich und wirklich gut ist. Na ja, denkt der Kritiker, eigentlich glauben das ja alle Bands von ihrer Musik, und ist natürlich bei weitem noch nicht überzeugt, ob es sich lohnt, das Album zu besprechen. Und dass die Jungs auch noch aus Spanien sind, verspricht nun auch nicht das progressive Erweckungserlebnis zu werden.
Welch Glück nur, dass der Kritiker alle seine Bedenken beiseite geschoben und um eine CD zum Besprechen bat. Denn hier kommt tatsächlich das „progressive Erweckungserlebnis“ namens „.ToTeM.“ von PERVY PERKIN aus Spanien, die mit ihrem zweiten Album locker an die besten Werke eines DEVIN TOWNSEND heranreichen und außerdem wie die Inkarnation eines FRANK ZAPPA klingen, wenn der ausschließlich alle seine noch so verrückten Ideen ausschließlich für den Prog Metal zur Verfügung gestellt hätte. Dieses Album ist so abgefahren, so spannend, so unbeschreiblich, dass einem beim Hören die verrücktesten Ideen in den Sinn kommen.
PERVY PERKIN klingen wie das Perpetum Mobile des Prog, das sich immer wieder neue erfindet, aber trotzdem nie in Richtung Eintönigkeit tendiert. Metal trifft auf Bläser, Gesänge auf Gerede, Growls auf zarte Weiblichkeit, Hip Hop auf JETHRO TULL-Flöte, Internet auf Rauchzeichen, Horror-Mucke auf Balladen-Romantik, Ficken auf Verklemmtes, Plattenknistern auf digitale Ultra-Sounds, Furze auf Parfum, 200 Motels auf indianische Bruchbuden, der HEAD aus dem RADIO auf den DREAM im THEATER, Glattgebürstetes auf Krach, GENTLE GIANT auf die Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt, RAINBOW-Hard Rock auf gothische Beerdigungszeremonien und elektronische Klanggewitter auf filigranen Schönklang und ein 16seitiges Booklet auf Indio-Malerei, während gerade Computerspiel-Soundtracks dem Stadion-Bombast das Wasser abgraben.
Und wenn jetzt jemand glaubt, dass diese wilden Satz- und Wort-Konstruktionen verwirrend sind, dann nur, weil er „.ToTeM.“ von PERVY PERVIN noch nicht gehört hat.
Selbstverständlich halten sich auch die Texte des Albums an den abgefahrenen Musik-Rhythmen fest, so als würde ein Torero sich permanent das rote Tuch vor die Eier halten und dann darüber wundern, dass der Stier mit lautem Getöse seine Glocken läutet.
Auch hier ist ein ZAPPA eben nicht weit.
Ein Beispiel gefällig?
Bitte sehr!
Nehmen wir uns einfach mal den mit 26 Minuten längsten Song „Mr. Gutman“ vor, der in die aussagekräftigen drei Teile „Awake!“, „So Virgin And Alone“ und „Fuck It!“ untergliedert ist und knallhart mit den scheinheiligen Gutmenschen abrechnet, die immer so tun, als hätten sie unsere Interessen im Sinn, obwohl sie damit nur ihr schreckliches Über-Ego pflegen: „All you need to do is dance / And inject your fears in vein / Rejoice in your sudden land.“
Und dass auf „T.I.M.E.“ auch noch unser aller Flinten-Uschi Ursula von der Leyen samt deutschem Sprechtext verewigt ist, schlägt dem Fass noch den letzten Boden aus. So kann die Begeisterung fließen. Die Begeisterung über ein Album, das kaum wer kennt und das trotzdem so großartig ist, dass man nur arschschwer Worte dafür findet!
FAZIT: Hören und staunen! PERVY PERVIN sind die spanischen Voodoo-Götter des Prog Metals, die einen Zappa im Qualm ihres Musik-Rituals wieder heraufbeschwören. Unglaublich, aber wahr!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.08.2016
Pablo AKS, Alejandro Macho
Alejandro Macho, Dante The Samurai, Pablo AKS, Carly Pajarón
Dante The Samurai, Álvaro Luis
Alejandro Macho
Carly Pajarón
Marti Bellmunt (Saxofon), Laura Gomis (Flöte)
Rockest Records
79:08
15.04.2016