„The Good View“ läuft zwar unter dem Namen Peter Weiss, doch ist das Album keine Nabelschau eines in seine Fähigkeiten verliebten Trommlers. In der Mixtur aus Fremd- und Eigenkompositionen, wobei die adaptierten Stücke den Hauptteil ausmachen, bekommen Weiss‘ unterschiedliche, aber allesamt fähige Begleiter viel Raum zur Entfaltung. Peter Weiss gibt dem Ganzen im Hintergrund seine fein ausgearbeitete Struktur, sodass es gelingt, unterschiedliche Komponisten wie Duke Ellington, Thelonius Monk, Hoagy Carmichael, Steve Swallow oder Ornette Coleman, in ihrer Vielfalt unter einen Hut zu bringen, ohne dass die Darbietung in bezugslose Beliebigkeit ausartet.
Selbst die minutenkurzen solistischen Intermezzi beeindrucken als tonmalerische Petitessen und nicht als Zurschaustellung virtuoser Kapriolen. „Poet’s Ground“, bei dem Weiss nur vom Bassisten Oliver Lutz begleitet wird, baut in seiner einminütigen Laufzeit eine derartige Spannung und Klangfülle auf, dass man sich wünscht, das Stück würde noch eine Weile weiterlaufen. Überhaupt der Klang: Warm und doch analytisch, geradezu eine Einladung „The Good View“ laut zu spielen, um so den Verästelungen noch weiter folgen zu können.
Dabei ist das Album keines der lauten Töne, sondern von lyrischer Schönheit, durchaus Soundtrack affin, wenn man Nino Rota oder einen Noir in ausgefeilter Schwarzweiß-Lichtgestaltung im Hinterkopf hat. Dabei weit entfernt von allzu loungiger Glätte, wobei das Kantige, Vertrackte durch seine Beiläufigkeit brilliert. Die jeweiligen Interpreten hervorzuheben tut nicht Not, der Hörer ist bei jedem in fähigen Händen. Die wunderbare Trio-Interpretation von Hoagy Carmichaels „Skylark“ bekommt aber eine gesonderte Erwähnung. Peter Weiss streichelt das Schlagzeug nur, Oliver Lutz sorgt für tieftönende Ornamente, während Sebastian A. Sternal am Klavier einen langsamen Tanz aufführt, der einzelnen Tönen viel Entfaltungsraum gibt, in dem man hineinhorchen kann.
FAZIT: Traumhaftes Album, das zeigt, wie prägend Schlagwerk sein kann, ohne sich je in den Vordergrund zu spielen. Auch in der ganz eigenen Auswahl der Fremdkompositionen sehr gelungen. Fein austarierter, stimmungsvoller Jazz, der sich durchaus klassischer Muster bedient, ohne überaltert zu wirken. Zudem ist die uneitle Spielfreude der beteiligten Musiker ein Genuss.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.02.2016
David Helm, Oliver Lutz
Pablo Held, Omer Klein, Sebastian A. Sternal
Peter Weiss
Denis Gäbel (ts), Christoph Möckel (ts), Frederik Köster (tp), Bastian Stein (flh)
Jazzsick Records/in-akustik
53:18
29.01.2016