Zumindest in Frankreich sieht man PSYKUPs Debüt von 2002 als Meilenstein für die dortige Szene an, denn die Gruppe nahm in vielerlei Hinsicht das vorweg, was man heute etwas salopp als Frenchcore bezeichnet. Gemeint ist damit eine oftmals schrankenlose, rhythmisch geprägte Mischung harter Rockstile mit Genre-fremden Anleihen, die letztlich bis zu Big Playern wie GOJIRA oder KLONE führten, auch wenn diese längst in einer eigenen Liga spielen.
Obendrein haben diese beiden Protagonisten wenig mit Funk und Hip Hop am Hut, so wie es seit je bei PSYKUP der Fall ist. Die Band hat sich angeblich wieder zusammengefunden, und diese Wiederveröffentlichung wurde nicht nur von David Castel remastert, sondern auch um eine Bonus-CD erweitert. Prägend für den zerfahrenen Sound der Gruppe ist der facettenreiche Vortrag von Julien Cassarino und Matthieu Miegeville, die von derbem Geschrei über schnellen Silbengesang bis hin zu melodischen Alternative-Refrains alles auf dem Kasten haben.
Die Band erlebte zur Zeit der Entstehung ihres Einstandes spürbar eine Sturm-und-Drang-Phase, denn sie versuchte, alles in ihre Songs zu packen, und überfrachtete sie deshalb nicht selten. Davon zeugt das zweiteilige "Martin X" mit seinem psychedelischen Leerlauf über mehrere Minuten hinweg ebenso wie die satte Viertelstunde "L'autruche", die in ihrer Buntheit an die schrulligen CARNIVAL IN COAL gemahnt, bloß dass das alles ernst gemeint war und ist.
Humorvoll sind PSYKUP also eher unfreiwillig, wenn gegackert wird wie im Hühnerstall und kurz darauf das Neo-Thrash-Fallbeil hinabsaust. Das ist dann im Guten wie Schlechten avantgardistisch und eben nur solchen Hörern zu empfehlen, die auf Zerfahrenheit als Programm stehen.
CD zwei geizt nicht mit alternativen Aufnahmen der Albumstücke bzw. Live-Tracks. Eingedenk einer stimmigen Verpackung dürfen sich deshalb all jene "Le Temps de la Réflexion" in dieser Version zulegen, die einen der Grundsteine des vermeintlich typisch französischen Sounds kennenlernen möchten.
FAZIT: "Le Temps de la Réflexion" bleibt ein unausgereiftes Album, gleichwohl nicht ohne Reize, bruchstückhaft und wechselhaft aus Prinzip. Die Unbedarftheit der Macher erfrischt, doch dass PSYKUP eine Fußnote bleiben, erkennt man weniger daran, dass sie ihrer Zeit voraus gewesen sind (wie behauptet wird), sondern an der Tatsache, dass sie dieser Scheibe bis heute nichts Gescheiteres folgen ließen. das macht sie selbstverständlich nicht schlecht, aber eben auch nicht zum Pflichtprogramm.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.04.2016
Yannick Tournier
Julien Cassarino, Matthieu Miegeville
Julien Cassarino, David Castel
Brice Sansonetto
Klonosphere / Season Of Mist
74:28 + 50:24
15.04.2016